Menü

Oberlandesgericht München

Oberlandesgericht München

Pressemitteilung 17 vom 18.03.2024

Landgericht München I Strafverfahren gegen Drazen P. (33 Jahre) wegen des Verdachts des versuchten Totschlags

Das Schwurgericht des Landgerichts München I hat heute den Angeklagten Drazen P. wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren 9 Monaten verurteilt. Darüber hinaus ordnete die Kammer die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt an. Vor dem Antritt der Therapie müssen 2 Jahre 6 Monate der Freiheitsstrafe verbüßt werden.

Die 1. Große Strafkammer stellte folgenden Sachverhalt fest: Der Angeklagte und der ihm nur sehr flüchtig bekannte spätere Geschädigte, die zum Tatzeitpunkt beide obdachlos waren, tranken am Tattag im Bereich des Hauptbahnhofs gemeinsam eine Flasche Schnaps. Anschließend fuhren sie mit der U-Bahn zur Haltestelle Maillingerstraße, wo sie in den frühen Morgenstunden im U-Bahnhof auf einer Bank einvernehmlichen Geschlechtsverkehr hatten. Dabei wurden sie allerdings von einer Zeugin unterbrochen. Anschließend gerieten die beiden in Streit, nachdem der Angeklagte über die Unterbrechung des Geschlechtsakts verärgert war und sodann zumindest von dem Geschädigten ein Entgelt für die sexuellen Handlungen verlangte. Hierauf ging der Geschädigte allerdings auch dann nicht ein, als der Angeklagte sich mit einer Nagelschere bewaffnete. Er rang den Geschädigten zunächst zu Boden und schlug ihm einmal wuchtig mit der Faust in die linke Flanke. Sodann drückte er diesem die Nagelschere gegen die linke Gesichtshälfte, um ihn zu verletzen, Beim ersten Ausholen vor den nachfolgenden Faustschlägen flog ihm Nagelschere aus der Hand und fiel ins Gleisbett. Sodann schlug der Angeklagte mit der Faust mindestens 38 Mal auf den Geschädigten ein. Zudem trat er mehrfach mit seinen Füßen auf den Geschädigten ein. Zum Schluss stampfte er mit seinen Füßen vier Mal auf den Kopf des Geschädigten ein. Den Tod des Geschädigten hielt der Angeklagte dabei für möglich und nahm ihn billigend in Kauf. Als der Geschädigte sich nicht mehr regte und am Kopf blutend am Boden lag, ließ der Angeklagte von ihm ab und rechnete damit, dass der Geschädigte an seinen Verletzungen versterben würde. Der Geschädigte erlitt erhebliche Verletzungen. Es bestand jedenfalls abstrakte Lebensgefahr. Der Angeklagte war aufgrund seines Alkoholkonsums enthemmt, in seiner Schuldfähigkeit aber nicht beeinträchtigt.

Sowohl der Angeklagte als auch der Geschädigte hatten übereinstimmend angegeben, sich weder an den Geschlechtsverkehr noch an die Tat erinnern zu können. Die Tat (und der Geschlechtsverkehr) waren allerdings auf Video aufgezeichnet worden. Der Angeklagte entschuldigte sich bei dem Geschädigten, der die Entschuldigung auch annahm.

Die Kammer ging von einem bedingten Tötungsvorsatz aus und machte dies auch an der besonders gefährlichen Vorgehensweise des Angeklagten fest, der mehrfach auf den Kopf des Geschädigten einstampfte und vielfach auf dessen Kopf einprügelte.

Zugunsten des Angeklagten berücksichtigte die Kammer die Bemühungen des Angeklagten um einen Täter-Opfer-Ausgleich und seine in der Hauptverhandlung geäußerte Entschuldigung. Der Geschädigte nahm diese Entschuldigung an und äußerte, kein Strafverfolgungsinteresse mehr zu haben. Aufgrund dieser und weiterer Umstände nahm das Gericht insgesamt einen minder schweren Fall des Totschlags an.

Die Vorsitzende Richterin Elisabeth Ehrl gab dem alkoholabhängigen Angeklagten mit auf den Weg, dass es nun an ihm liege, eine erfolgreiche Therapie in der Entziehungsanstalt zu absolvieren.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft München I steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.


Dr. Laurent Lafleur
Leiter der Pressestelle für Strafsachen
Richter am Oberlandesgericht