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Oberlandesgericht München

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Pressemitteilung 25 vom 17.04.2024

Landgericht München I: Strafverfahren gegen Erdem I. (22 Jahre) wegen des Verdachts der Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge u.a.

Die 10. Große Strafkammer hat den Angeklagten wegen der Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge und anderer Delikte heute zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren 6 Monaten verurteilt. Zugleich ordnete die Kammer unter dem Vorsitz von Nikolaus Lantz an, dass dem Angeklagten vor Ablauf von fünf Jahren keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf.

Das Gericht stellte nach umfangreicher Hauptverhandlung folgenden Sachverhalt fest: Der Angeklagte hatte zum Tatzeitpunkt - wie er auch wusste - keine Fahrerlaubnis. Er fuhr dennoch in der Nacht des 09. Juli 2023 mit einem Firmenwagen entgegen der klaren Weisung seines Arbeitgebers in erheblich alkoholisiertem Zustand  auf der Brienner Straße in München in Richtung Westen. Seine auffällige Fahrweise führte dazu, dass eine Polizeistreife ihn zum Anhalten aufforderte. Als eine Polizeibeamtin aus ihrem Fahrzeug ausstieg, um ihn zu kontrollieren, flüchtete der Angeklagte mit seinem PKW. Der Angeklagte habe sein Fahrzeug sehr stark beschleunigt und sei dabei von der Polizeistreife verfolgt worden, wobei die Polizeibeamten bewusst deutlich langsamer fuhren als der Angeklagte, der mit bis zu 144 km/h die Dachauer Straße entlangraste. Der Angeklagte habe damit das dreifache der zulässigen Höchstgeschwindigkeit erreicht. An der Kreuzung zur Leonrodstraße fuhr der Angeklagte über eine rote Ampel und stieß mit einem anderen Fahrzeug, das gerade regelkonform in die Kreuzung einfuhr, zusammen. Ein Ausweich- sowie ein Bremsmanöver des Angeklagten seien erfolglos geblieben. Der PKW des Angeklagten erfasste in der Folge zwei junge Männer, die gerade die Straße überquerten. Einer der beiden jungen Männer wurde gegen ein Trambahnhäuschen und dann noch weiter durch die Luft geschleudert und war sofort tot. Der zweite junge Mann erlitt ein offene Unterschenkelfraktur sowie ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Die Fahrerin des zweiten PKW erlitt ein Schleudertrauma sowie Schmerzen, ihre Mitfahrer erlitten ebenfalls Verletzungen. Der Angeklagte selbst blieb erlitt lediglich leichte Verletzungen.

Der Angeklagte habe ein Fluchtverhalten an den Tag gelegt, bei dem eine Panikreaktion vorgeherrscht habe. Es sei kein Raum für eine Abwägung gewesen. Das limbische System – so der Vorsitzende – habe das Kommando übernommen. Nachdem der Angeklagte zunächst auch noch versucht habe, zu bremsen und dem PKW an der Kreuzung auszuweichen, könne nicht von einem Tötungsvorsatz ausgegangen werden.

Rechtlich ordnete die Strafkammer das Verhalten daher insbesondere als fahrlässige Trunkenheit im Verkehr und vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie als verbotenes Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge und schwerer Gesundheitsschädigung ein. Der Straftatbestand des verbotenen Kraftfahrzeugrennen erfasst auch den Fall, dass der Fahrer eines PKW sich mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.

Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Gericht insbesondere die schweren und komplizierten Verletzungen, die der überlebende Geschädigte erlitten habe. Zugunsten des Angeklagten wurde das umfassende Geständnis des Angeklagten gewürdigt. Er habe die Verantwortung für das Geschehen und die schrecklichen Folgen der Tat übernommen. Zu seinen Lasten wurde eine einschlägige Vorstrafe eingestellt. Das Gericht ordnete zudem eine Sperre für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis von fünf Jahren an.

Zuletzt ordnete die Kammer Haftfortdauer an.

Die Staatsanwaltschaft hatte das Verfahren zunächst zum Amtsgericht – Schöffengericht – angeklagt. Noch am ersten Hauptverhandlungstag hatte das Amtsgericht das Verfahren an die Große Strafkammer des Landgerichts München I verwiesen, da die Strafgewalt des Amtsgerichts von maximal 4 Jahren Freiheitsstrafe nicht zur adäquaten Ahndung der Tat ausreiche.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung, der Nebenklage und der Staatsanwaltschaft München I steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.

 

Dr. Laurent Lafleur
Leiter der Pressestelle für Strafsachen
Richter am Oberlandesgericht