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Amtsgericht Erding

Justiz ist für die Menschen da – Recht Sicherheit Vertrauen

Pressemitteilung 6/18 vom 19.12.2018

Vertretbare Gründe für die Nichtbeförderung eines Fluggastes

Liegen die nach den Ausreisebestimmungen des jeweiligen Landes erforderlichen Dokumente bei Antritt des Fluges nicht vor, muss die Fluggesellschaft den Fluggast nicht befördern.

Der 17-jährige Kläger verfügte über eine bestätigte Buchung für einen durch die beklagte Fluggesellschaft am 2.1.2018 durchgeführten Flug von Recife (Brasilien) nach München. Er ist deutscher und brasilianischer Staatsangehöriger und sollte bei dem Flug von seinem Vater begleitet werden.

Für die Ausreise minderjähriger brasilianischer Staatsangehöriger ist nach brasilianischem Recht die notariell bzw. konsularisch beglaubigte oder im Reisepass des Kindes vermerkte Einverständniserklärung des nicht mitreisenden Erziehungsberechtigten erforderlich.

Am Reisetag erschien der Jugendliche mit seinem Vater beim Check-In der Beklagten. Anwesend war zu diesem Zeitpunkt auch seine Mutter. Die erforderliche Einwilligung der Mutter in die Reise konnte jedoch nicht in der erforderlichen Form vorgelegt werden, weshalb es die Mitarbeiterin der Beklagten ablehnte, den Kläger einzuchecken.

Der durch seine Eltern vertretene Kläger machte mit seiner zum Amtsgericht Erding erhobenen Klage geltend, dass ihm die Beförderung willkürlich verweigert worden sei, da beim Check-In seine Mutter anwesend gewesen sei und in die Reise eingewilligt habe. Auch sei die nur zwei Wochen vorher erfolgte Reise von Deutschland nach Brasilien ohne die nun geforderten Dokumente möglich gewesen. Wegen der verweigerten Beförderung sei ihm ein erheblicher Schaden entstanden. So habe er unter anderem ein Ticket für den am 5.1.2018 durchgeführten Ersatzflug zum Preis von 1.672 € erwerben müssen. Ein weiterer Schaden von über 500 € sei eingetreten, weil er seinen Schulunterricht an einer englischen Privatschule nicht rechtzeitig antreten habe können. Schließlich machte er noch einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung von 600 € nach der Fluggastrechteverordnung geltend. 

Die Beklagte beantragte die Klage abzuweisen. Sie vertrat die Auffassung, dass der Kläger unzureichende Reisedokumente gehabt habe, was in seiner Verantwortung liege. Da die vom brasilianischen Staat geforderten Ausreisevoraussetzungen nicht vorgelegen hätten, sei die Beklagte berechtigt gewesen den Kläger zurückzuweisen.

Dem folgte das Amtsgericht Erding und wies die Klage vollumfänglich ab. Eine Nichtbeförderung, die eine Ersatzpflicht der Airline zur Folge habe, liege zwar nur vor, wenn dafür keine vertretbaren Gründe, die einen inneren Bezug zum Fluggast haben, vorlägen. Dies seien zum Beispiel Gründe im Zusammenhang mit der Gesundheit des Passagiers oder mit von ihm ausgehenden Sicherheitsrisiken aber eben auch unzureichende Reisedokumente, so das Gericht. Hierzu gehörten nicht nur die Buchungsbelege sondern auch gültige Ausweispapiere, Visa und bei Minderjährigen die den Formerfordernissen entsprechende Einwilligung in die Reise, wenn ein Staat diese bei der Ausreise fordere.

Es sei der Fluggesellschaft nicht zuzumuten den Fluggast zunächst einzuchecken und abzuwarten, ob ihm die Ausreise gestattet wird. Dies würde die Abläufe erheblich beeinträchtigen, da – wird ihm die Ausreise verweigert – spätestens beim Boarding nach dem Verbleib des Passagiers geforscht und sein bereits verladenes Gepäck wieder entladen werden müsste.

Der unterlegene Kläger legte gegen das Urteil Berufung zum Landgericht Landshut ein. Dort erteilte man ihm den Hinweis, dass man die Angelegenheit rechtlich genauso sehe wie das Amtsgericht. Insbesondere dürfe sich eine Airline auf die von der Botschaft eines Staates veröffentlichten Ausreisebestimmungen verlassen und müsse nicht selbst recherchieren, ob ausländische Behörden aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall eine davon abweichende Entscheidung treffen könnten.

Da der Kläger jedoch auf seiner Position beharrte, wies das Landgericht die Berufung kostenfällig zurück. Das Urteil des Amtsgerichts ist somit rechtskräftig.


Amtsgericht Erding, Az.: 5 C 360/18