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Bayerisches Oberstes Landesgericht

Pressemitteilung 5 vom 28.04.2023

Beschluss im Strafverfahren gegen einen Heranwachsenden wegen Nötigung

„Klimakleber“

Der 5. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat ein Urteil des Amtsgerichts München bestätigt, in dem ein Heranwachsender wegen Nötigung verurteilt und deswegen jugendrichterlich verwarnt worden war.

Der Angeklagte hatte sich am 4. Februar 2022 auf der Fahrbahn der Frauenstraße in München mit Sekundenkleber festgeklebt und dadurch im Zusammenwirken mit weiteren Personen eine unbekannte, größere Anzahl von Autofahrern am Weiterfahren gehindert oder zur Umfahrung der blockierten Straße gezwungen.

Die vom Angeklagten eingelegte Revision gegen das Urteil hat das Bayerische Oberste Landesgericht nunmehr verworfen.

In Übereinstimmung mit dem Amtsgericht wertete der Senat das Verhalten des Angeklagten als strafbare Nötigung.

Durch die Straßenblockade habe der Angeklagte die in zweiter Reihe befindlichen Autofahrer zum Stehenbleiben oder zum Umfahren der Straße gezwungen und damit zu einem Verhalten bzw. Unterlassen genötigt.

Entgegen dem Revisionsvorbringen des Angeklagten sei die Tat auch rechtswidrig gewesen.

Die Tat sei nicht durch das im Grundgesetz geregelte Widerstandsrecht (Art. 20 Abs. 4 GG) gerechtfertigt gewesen. Das Widerstandsrecht setze voraus, dass die verfassungsmäßige Ordnung durch den Staat nicht mehr hinreichend geschützt werden könne, was auf die Bundesrepublik nicht zutreffe. Außerdem könne das Widerstandsrecht nur gegenüber denjenigen ausgeübt werden, die die verfassungsmäßige Ordnung beseitigen wollten. Dies sei aber bei den betroffenen Autofahrern offensichtlich nicht der Fall.

Die Tat sei auch nicht durch einen rechtfertigenden Notstand nach § 34 StGB gerechtfertigt. Dem Angeklagten hätten nämlich mildere Mittel zur Verfügung gestanden, um sein Ziel – die Einwirkung auf den Meinungsbildungsprozess – zu erreichen. Es sei für diese Taten von Klimaaktivisten zudem kein eigenständiger, besonderer Rechtfertigungsgrund anzunehmen. Zuletzt sei die Tat auch nicht aufgrund „zivilen Ungehorsams“ gerechtfertigt.

Auch seien die weiteren Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Nötigung gegeben.

Der Senat wies zudem die vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen zurück.

Das Urteil des Amtsgerichts ist damit jetzt rechtskräftig.


BayObLG, Beschluss vom 21. 04.2023, 205 StRR 63/23
AG München, Urteil vom 16.09.2022, 1034 Ds 113 Js 124163/22 jug

Dr. Laurent Lafleur
Richter am Oberlandesgericht
Pressesprecher des Bayerischen Obersten Landesgerichts