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Landgericht Memmingen

Justiz ist für die Menschen da – Recht Sicherheit Vertrauen

Pressemitteilung 20 vom 15.12.2020

Justiz in Corona-Zeiten

Jahresrückblick und -Ausblick des Landgerichts Memmingen

Das jährliche Gespräch mit den Vertreterinnen und Vertretern der Medien kann aufgrund des aktuellen Corona-Geschehens in diesem Jahr leider nicht stattfinden. Wir möchten es aber nicht versäumen, Sie zumindest auf diesem Weg über den Verlauf des Jahres und aktuelle Entwicklungen bei der Justiz, speziell beim Landgericht Memmingen, zu informieren.

Das Corona-Virus hat den Dienstbetrieb im ablaufenden Jahr auch bei der Justiz nachhaltig geprägt. Bereits während der ersten Welle wurde beim Landgericht Memmingen in allen Bereichen, außer bei den Richterinnen und Richtern, denen aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit keine Vorgaben gemacht werden dürfen, in enger Abstimmung mit den Personalvertretungen, ein Zwei-Schicht-Modell eingeführt, um so weit wie möglich sicherzustellen, dass der Dienstbetrieb auch im Falle von Infektionen aufrechterhalten werden kann. Die Hälfte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeitet in wöchentlichem Wechsel, soweit wie möglich, von zu Hause aus, während die andere Hälfte vor Ort tätig ist. Ergänzend dazu wurden, wenn die erforderlichen Abstände nicht eingehalten werden konnten, sowohl an den Arbeitsplätzen als auch in den Sitzungssälen, Trennscheiben installiert.

Im ganzen Gebäude befinden sich Spender mit Desinfektionsmitteln und es gibt für alle Bereiche Lüftungskonzepte. An die Einhaltung der Lüftungsintervalle wird von der Wachtmeisterei mit einem akustischen Signal erinnert. Auf den Gängen im ganzen Gebäude besteht Maskenpflicht und jede Besucherin bzw. jeder Besucher muss eine schriftliche Selbstauskunft abgeben.

Eine besondere Herausforderung stellt die Aufrechterhaltung und Durchführung des Sitzungsbetriebs dar. Trotz weiterhin hoher Eingangszahlen reduzierten die Richterinnen und Richter sowohl während der ersten Corona-Welle als auch gegenwärtig die Zahl der Sitzungen soweit wie möglich, nehmen gesundheitliche Bedenken von Prozessbeteiligten ernst und berücksichtigen diese. Dessen ungeachtet muss insbesondere in Haftsachen dem Beschleunigungsgebot Rechnung getragen werden. Dies hat in einem Großverfahren wegen der unerlaubten Einfuhr von 500 kg Kokain mit 6 Angeklagten, 13 Verteidigern, zahlreichen Dolmetschern, Sachverständigen, Zeugen und Medienvertretern dazu geführt, dass die Stadthalle Memmingen für die Durchführung der Hauptverhandlung angemietet wurde. Obwohl es sich hierbei für alle Beteiligte um Neuland handelte, konnte das Verfahren dank der sehr guten Zusammenarbeit mit der Polizei, den Verantwortlichen der Stadt Memmingen, den beteiligten Technikern und auch aufgrund der Kooperationsbereitschaft aller Verfahrensbeteiligten problemlos durchgeführt und beendet werden, so dass sich der sehr große personelle und finanzielle Einsatz uneingeschränkt gelohnt hat.

Das Landgericht Memmingen ist froh und stolz, dass bisher noch keine Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter positiv auf Corona getestet worden ist.

Während der Hochphase der Corona-Pandemie kam es zu einem Präsidentenwechsel. Dr. Thomas Ermer wechselte am 01. März in das Bayerische Staatsministerium der Justiz, sein Nachfolger Konrad Beß kam am 01. Mai vom Oberlandesgericht in München nach Memmingen, wo er sich inzwischen bestens eingelebt hat.

Die Teilnahme des Landgerichts an dem Projekt „Kunst in Ihrem Geschäft“ vom
22. September bis 12. Oktober 2020 mit Bildern von Alfons Alt und unter Vermittlung der Galerie Seidenlicht in Bad Grönenbach war als Schritt in die Normalität geplant, fiel aber zeitlich, mit daraus resultierenden Einschränkungen, voll in die Zeit des wieder ansteigenden Infektionsgeschehens.

Die Personalsituation hat sich durch Stellenzuteilungen in allen Bereichen verbessert, dessen ungeachtet ist die Arbeitsbelastung weiterhin hoch. Im Zivilbereich sind etwa 1.500 Verfahren anhängig, im Strafbereich etwa 350. Hochgerechnet auf das Gesamtjahr werden damit im Strafbereich etwa 400 und im Zivilbereich um die 2.200 neue Verfahren eingegangen sein, die aktuell von 21 Richterinnen und Richtern, davon 2 Halbtageskräften, bearbeitet werden.

Eingänge im Zusammenhang mit dem so genannten „Dieselskandal“ spielen dabei weiterhin eine große Rolle, wobei allerdings Veränderungen auf Seiten der Beklagten und des Verfahrensgegenstands zu beobachten sind. Nachdem sich die Verfahren ursprünglich fast ausschließlich gegen die Volkswagen AG und deren Händler gerichtet haben, werden diese deutlich geringer, während die Verfahren gegen die Audi AG deutlich zugenommen haben und auf hohem Niveau verharren, und Verfahren gegen die Daimler AG weiterhin noch stark zunehmen. Ansprüche werden nunmehr auch im Zusammenhang mit dem so genannten Thermofenster und den Software-Updates geltend gemacht. Diese Verfahren werden das Landgericht sicher auch im neuen Jahr und auch noch darüber hinaus beschäftigen.

Auf großes überregionales Interesse werden zwei Verfahren vor der 1. Strafkammer gegen Betreiber und Mitarbeiter von Milchviehbetrieben in Bad Grönenbach wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz und die Berufungsverhandlung bei der 1. Zivilkammer gegen das „Memminger Fischertagsurteil“ stoßen.

Auf gravierende Änderungen müssen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landgerichts voraussichtlich ab November 2021 einstellen, da dann beim Landgericht die elektronische Akte eingeführt und das Ende des Zeitalters der Papierakte eingeläutet werden soll.

Für Nachfragen und Erläuterungen stehen Ihnen die Pressesprecher des Landgerichts gerne zur Verfügung, die sich auf diesem Weg, im Namen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ganz herzlich für die vertrauensvolle und verständnisvolle Zusammenarbeit im vergangenen Jahr bei allen Medienvertretern bedanken möchten.

Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit im Rahmen eines hoffentlich normalisierten Dienstbetriebs und wünschen Ihnen im Namen aller Beschäftigten frohe, gesegnete Weihnachten, Gesundheit und einen guten Start in ein hoffentlich besseres Jahr 2021.