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Landgericht Memmingen

Justiz ist für die Menschen da – Recht Sicherheit Vertrauen

Pressemitteilung 6 vom 09.04.2020

Organisierter Callcenterbetrug durch falsche Polizeibeamte

Neues Verfahren vor der 1. Strafkammer

Am Montag, dem 20.04.2020 um 10.30 Uhr beginnt im Sitzungssaal 132 des Landgerichts Memmingen die Hauptverhandlung gegen den 29 Jahre alten deutschen Staatsangehörigen Harun B. dem u.a. Banden- und gewerbsmäßiger Betrug in vier Fällen vorgeworfen wird.
Der vollumfänglich geständige Angeklagte befindet sich in dieser Sache in Untersuchungshaft.
Ihm wird vorgeworfen, sich Anfang März 2019 mit mindestens acht weiteren Mittätern, die von Izmir in der Türkei aus agierten, zusammengeschlossen zu haben, um organisiert und arbeitsteilig Callcenterbetrug zu begehen. Die Täter geben sich dabei gegenüber den Opfern als falsche Polizeibeamte aus und spiegeln eine akute Vermögensgefährdung vor. Sie suchen gezielt nach älteren Menschen in der Hoffnung, diese in einer sie überfordernden Situation überrumpeln zu können.

Die Täter versuchen den telefonischen Kontakt zu ihren Opfern zu keinem Zeitpunkt abreißen zu lassen, um diese permanent unter Druck zu halten und kontrollieren zu können um zu verhindern, dass die Geschädigten Kontakt mit anderen Personen (Familienangehörige, Polizei etc.) aufnehmen.
Ein Bandenmitglied wendet sich telefonisch an das jeweilige Opfer und gibt sich als Polizeibeamter oder Staatsanwalt aus, versucht ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und weist auf eine akute Vermögensgefährdung, z.B. einen bevorstehenden Einbruch, hin. Zum Schutz davor soll das Opfer Wertgegenstände an einen (falschen) Polizeibeamten übergeben, der in Kürze vorbeikommen wird. Aufgrund von Manipulationen durch die Täter wird hierbei bei den Geschädigten die Telefonnummer einer örtlichen Polizeidienststelle angezeigt. Ein weiteres Mitglied der, ständig telefonisch untereinander verbundenen Bande, begibt sich sodann zur Wohnung des Opfers und lässt sich, sobald er überzeugt davon ist, dass das Opfer die Polizei nicht informiert hat  Wertgegenstände übergeben, die er sodann zu den anderen im Ausland aufhältigen Mittätern verbringt.

Im Einzelnen soll der Angeklagte am 18.03.2019 in Günzburg von der 79-jährigen Geschädigten Hildegard H. 30.000,-- EUR erhalten haben, die diese aus ihrem Bankschließfach geholt hat, da ihr mitgeteilt wurde, dass Angestellte das Geld gegen Falschgeld austauschen, und anschließend in die Türkei verbracht haben, wofür er eine Provision in Höhe von 3.000,-- EUR erhalten haben soll.
Am 01.04.2019 wollte ein unbekanntes Bandenmitglied bei der 76-jährigen Geschädigten Marlies G. in Düsseldorf mit der Begründung, dass es sich um Falschgeld handle, Bargeld abholen. Hierbei kam es zu einem Handgemenge mit der Geschädigten, die dabei Treppen hinunterstürzte und sich vier Rippenbrüche zuzog. Der Abholer floh mit 67.500,-- EUR, die er in Ratingen an den Angeklagten übergeben haben soll, der sie im Anschluss in die Türkei verbrachte und hierfür 7.500,-- EUR erhalten haben soll.
Am 05.04.2019 spiegelte ein Bandenmitglied telefonisch der 72-jährigen Geschädigten Gabriele K. vor, dass aufgrund von Hinweisen bei einem festgenommenen Einbrecher der Inhalt ihres Tresors überprüft werden müsste.
Der Angeschuldigte soll sich sodann zum Anwesen der Geschädigten in Esslingen begeben haben, sich als Kollege des (falschen) Polizeibeamten am Telefon ausgegeben haben und von der Geschädigten 4.800,--  EUR, Schmuck im Wert von 18.950,-- EUR und Münzen im Wert von ca. 40.000,-- EUR erhalten haben. Die Beute soll er anschließend ebenfalls wieder in die Türkei verbracht haben, wofür er eine Provision in Höhe von 2.500,-- EUR erhalten haben soll.

Am 05.04.2019 soll dem in Nürtingen wohnhaften 82-jährigen Geschädigten R. telefonisch ein drohender Einbruch vorgespiegelt worden sein. Deswegen soll der Geschädigte dem Angeklagten Goldmünzen im Wert von ca. 74.000,-- EUR übergeben haben, die dieser anschließend wiederum, gegen eine Provision in Höhe von 2.500,-- EUR, in die Türkei verbracht haben soll.

Da der Angeklagte voll geständig ist, sind im Moment keine Fortsetzungstermine vorgesehen. Als Zeugen sind ausschließlich (10) Polizeibeamte der ermittelnden Dienststellen geladen.