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Landgericht Memmingen

Justiz ist für die Menschen da – Recht Sicherheit Vertrauen

Pressemitteilung 20 vom 29.11.2022

Vater und Sohn verurteilt

Erstes Verfahren im sogenannten Tierskandal zu Ende

Das erste umfangreiche Verfahren im sogenannten Tierskandal (vgl. Pressemitteilung 09/2022 vom 10.08.2022) vor der großen Strafkammer des Landgerichts Memmingen endete mit der Verurteilung der beiden Angeklagten Landwirte.
Der Vorsitzende Richter Christian Liebhart verkündete heute um 11:15 Uhr die Entscheidung der Kammer.
Der inzwischen 68 Jahre alte Johann Baptist H. wurde wegen quälerischer Misshandlung von Wirbeltieren durch Unterlassen in fünf Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
Sein 25 Jahre alter Sohn Florian H. wurde aus demselben Grund, jedoch in zehn Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt.
Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren können zur Bewährung ausgesetzt werden. vonn dieser Möglichkeit hat die Kammer bei Johann H. Gebrauch gemacht. Als eine von mehreren Bewährungsauflagen muss er 12.000 EUR an einen Gnadenhof bezahlen.
Gegen beide Angeklagte wurde ein 5-jähriges Tierhalteverbot ausgesprochen.

Der Vorsitzende sprach in seiner etwa einstündigen Urteilsbegründung von „verheerenden Bedingungen vor Ort“.
Auf den völlig überfüllten Hofstellen, auf denen die Anzahl der zur Verfügung stehenden Liegeplätze in keinerlei Relation zur Anzahl der dort gehaltenen Tiere standen, stand der Kot bis zu einem halben Meter hoch. Trotz offensichtlicher Behandlungsbedürftigkeit der betroffenen Rinder und Kälber und wiederholter konkreter behördlicher Vorgaben zur Beseitigung der Missstände (Originalton des Richters:“ Ignoranz gegenüber behördlichen Vorgaben“), zogen die Angeklagten Tierärzte entweder gar nicht oder zu spät hinzu. Hierdurch erlitten die betroffenen Tiere länger andauernde erhebliche Schmerzen und mussten als Folge oftmals notgetötet werden.

Die unterschiedliche Strafhöhe resultiert in erster Linie aus der unterschiedlichen Anzahl von Fällen, für die die Angeklagten verurteilt wurden. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Fall nicht einem betroffenen Tier entspricht, sondern regelmäßig jeweils mehrere Tiere betroffen waren.
Die Angeklagten haben sich im Laufe der Verhandlung eingelassen. Sie haben ihr Verhalten mit Betriebsblindheit und Überforderung begründet und erklärt, dass ihnen die schlimmen Zustände erst aufgrund der angefertigten Fotos bewusst geworden seien und es ihnen leid tue.

Im Lauf der 17-tägigen Hauptverhandlung, in der zahlreiche Zeugen und Sachverständigen vernommen wurden, wurden, mit der Zustimmung aller Beteiligten, weitere Tatvorwürfe, die Gegenstand des Verfahrens waren, wie zum Beispiel das Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen, eingestellt. Dies geschah, da nach Überzeugung der Kammer die dafür zu erwartenden Strafen neben den Strafen für die verbleibenden Tatvorwürfe (die Verstöße gegen das Tierschutzgesetz), nicht beträchtlich ins Gewicht fallen würden.

Gegen das Urteil können die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten innerhalb einer Woche Revision einlegen. Der Bundesgerichtshof prüft dann das Verfahren auf Rechtsfehler. Das heißt die Beweisaufnahme wird nicht nochmals durchgeführt.