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Landgericht München II

Justiz ist für die Menschen da – Recht Sicherheit Vertrauen

Pressemitteilung 5 vom 16.12.2021

Porsche aus der Kurve

Die Unfallursache war unklar: hatte der Porschefahrer seine Fahrkünste beim Überholmanöver überschätzt, oder hat der Familienvater beim Sonntagsausflug mit Frau und Kind die Linkskurve aus Unachtsamkeit geschnitten? Unlängst musste sich die 1. Zivilkammer des LG München II mit der Frage beschäftigen, welches dieser beiden klischeebehafteten Szenarien Grund für einen Blechschaden war.
Am 22.11.2020 gegen 15:45 Uhr fuhr der Kläger Christian S. mit seinem Porsche auf der B11 bei Bad Heilbrunn in nördliche Richtung hinter einem Van, der mit 60 – 70 km/h fuhr. Zwischen den Einmündungen Letten und Brandl setzte er kurz vor einer Linkskurve zum Überholen an. In der Kurve kam es zu einer seitlichen Kollision der beiden Fahrzeuge.
Der Fahrer des Porsche verlangte nun von Quirin D., der den Van steuerte, Ersatz seines Fahrzeugschadens. Er behauptete, der Beklagte habe aus Unachtsamkeit die Kurve geschnitten. Dies bestritt der Familienvater und behauptete, dass der Porsche in sein Fahrzeug hineingefahren sei.
Das Landgericht hat die Parteien angehört, die als Zeugin angebotene Ehefrau des Beklagten vernommen und einen Sachverständigen befragt. Dieser hielt beide Versionen für technisch gleich wahrscheinlich. Der Van könnte also die Kurve geschnitten, der Porsche könnte während des Überholens tangential in der Kurve aus seiner Fahrspur gedriftet sein. Letzteres wäre insbesondere dann möglich, wenn der Porschefahrer in der Kurve beschleunigt oder verlangsamt habe, denn beides bewirke eine Verringerung der Seitenführungskräfte. Der Sachverständige erklärte, dass dies schon dann passieren könnte, wenn der Kläger in der Kurve den Fuß vom Gas genommen habe.
Christian S. wollte ein Driften aus der Kurve kategorisch ausschließen. Er habe mehrfach jährlich Fahrsicherheitstrainings absolviert. Im Jahr 2020 habe er sogar „an einem Rundstreckentraining auf der Nordschleife teilgenommen“. Er sei mit seinem Fahrzeug bestens vertraut.Der Sachverständige erklärte allerdings, dass sich angesichts der von beiden Parteien übereinstimmend angegebenen Geschwindigkeit ein Überholmanöver in der Unfallkurve gar nicht sicher durchführen lasse, und zwar nicht einmal mit dem klägerischen Porsche.

Vor diesem Hintergrund hatte das Gericht einen Vergleich angeregt. Danach sollte der beklagte Familienvater nur in Höhe seiner Betriebsgefahr haften, und im Übrigen – nämlich iHv. knapp 70 Prozent – die Verantwortlichkeit bei dem Kläger liegen.  Das Gericht meinte: wenn der Kläger – wie es nach der StVO geboten gewesen wäre – in dieser Kurve bei einer Geschwindigkeit des vorausfahrenden Vans von mind. 60 km/h gar nicht zum Überholen angesetzt hätte, dann wäre es am Ende auch nicht zu der Kollision gekommen; und zwar unabhängig davon, wer am Ende auf den Fahrstreifen des anderen gekommen ist.
 
Nach Ablauf einer vereinbarten Widerrufsfrist wurde die Einigung nun noch pünktlich vor Weihnachten verbindlich.

(Az: 1 O 678/21)