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Pressemitteilung 15/2019 vom 08.10.2019

Kein Schadensersatz für Wahlwiederholung in Geiselhöring

Landgericht Regensburg weist Zivilklagen des Landkreises Straubing-Bogen und der Stadt Bogen gegen angeblichen Wahlfälscher ab

Wegen unzureichender Darlegungen zum Schädigungsvorsatz haben die 6. und die 7. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg, jeweils mit Urteil vom 8. Oktober 2019, zwei Schadensersatzklagen des Landkreises Straubing-Bogen und der Stadt Bogen gegen den Angeklagten des bei der 5. Strafkammer des Landgerichts Regensburg anhängigen Strafverfahrens wegen Verdachts der Wahlmanipulation in Geiselhöring abgewiesen. Nach dem mit der Anklage aus dem Strafprozess im Wesentlichen übereinstimmenden (Zivil-)Klagevortrag soll der Beklagte bei der Geiselhöringer Kommunalwahl 2014 unter Mithilfe anderer Beteiligter Stimmzettel von über 400 vornehmlich rumänischen Erntehelfern selbst ausgefüllt bzw. Erntehelfer in nicht mehr zulässiger Weise zur Stimmabgabe in seinem Sinne veranlasst haben. Die Wahl war damals für ungültig erklärt worden. Ende 2018 hatten Vertreter der betroffenen Gebietskörperschaften gerichtliche Mahnverfahren zur Titulierung behaupteter Erstattungsansprüche für die Kosten der Neuwahl (rund 114.000 Euro beim Landkreis Straubing-Bogen und rund 10.000 Euro bei der Stadt Bogen) eingeleitet. Die beiden als Streitgerichte zuständigen Zivilkammern des Landgerichts Regensburg gelangten zu der Einschätzung, dass die Forderungen, basierend auf dem Parteivorbringen, nicht begründet sind.
Für die Klageabweisungen waren die folgenden weitgehend identischen Erwägungen maßgeblich: Eine Schadensersatzhaftung des Beklagten hätte nach einhelliger Auffassung der 6. und der 7. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg die Feststellung einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung vorausgesetzt. Zu den subjektiven Anforderungen dieses Deliktstatbestands gehört, dass der Anspruchsgegner, ein objektiv schädigendes Verhalten unterstellt, Art und Richtung des Schadens sowie die Schadensfolgen spätestens zum Zeitpunkt des Schadenseintritts zumindest billigend in Kauf genommen hat. Die Darlegungs- und Be-weislast hierfür liegt im Zivilprozess beim jeweiligen Anspruchsteller. Nach den Bestimmungen des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes führt eine Verletzung von Wahlvorschriften nicht zwangsläufig zur Ungültigerklärung und Wiederholung der gesamten Wahl. Je nach Art und Umfang etwaiger Verstöße kann auch eine Berichtigung des Wahlergebnisses oder eine teilweise Nachwahl in Betracht kommen. Aus Sicht der erkennenden Richter hätten die Kläger deshalb darlegen müssen, dass der von ihnen behauptete bedingte Schädigungsvorsatz des Beklagten die Kosten für eine umfassende Wahlwiederholung beinhaltete. Da dies nicht geschehen war, wurden die Klagen als unschlüssig eingestuft.
Über diesen gleichlautenden Klageabweisungsgrund hinaus vertrat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg in ihrem Urteil den Standpunkt, dass der Beklagte für die Kosten der Neuwahl als „Sowieso-Schaden“ schon deswegen nicht haftbar gemacht werden dürfe, weil die Stadt Geiselhöring laut Aktenvermerk über eine Besprechung bei der Regierung von Niederbayern erkennbar nicht wahlberechtigte Personen zur Wahl zugelassen habe und aufgrund der bekannten Zahl an Briefwählern, die am Stichtag ihren Lebensmittelpunkt nicht in Geiselhöring gehabt hätten, ohnehin nur eine Ungültigerklärung der Wahl möglich gewesen sei. Zusätzlich ging die 7. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg von Verjährung und damit mangelnder Durchsetzbarkeit der erhobenen Forderungen aus. Die regelmäßige Verjährungsfrist im Bürgerlichen Recht beträgt drei Jahre. Sie beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen sowie von der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Nach Einschätzung der 7. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg waren diese Voraussetzungen bereits mit der Ungültigerklärung der Wahl im Jahr 2014 eingetreten, die Verjährungsfrist also Ende 2017 abgelaufen.
In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass die ergangenen zivilgerichtlichen Entscheidungen keine Präjudizwirkung für das bei der 5. Strafkammer des Landgerichts Regensburg anhängige Strafverfahren entfalten. Durch die Zivilurteile ist keine Aussage darüber getroffen, ob dem Angeklagten im Strafprozess zu Recht oder zu Unrecht eine Wahlfälschung zur Last gelegt wird. Auch für die Verjährung gelten im Strafverfahren abweichende und gänzlich eigenständige Regeln.
Die Urteile des Landgerichts Regensburg vom 8. Oktober 2019 sind noch nicht rechtskräftig. Beide Kläger haben die Möglichkeit, innerhalb eines Monats ab Zustellung Berufung einzulegen. Zuständiges Berufungsgericht ist das Oberlandesgericht Nürnberg.

Thomas Polnik
Vorsitzender Richter am Landgericht
Pressesprecher