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Amtsgericht München

Amtsgericht München - Gebäude Maxburgstraße

Pressemitteilung 24 vom 26.03.2018

Mittels Tante zum Dschihad


Der Versuch den noch 13jährigen Neffen im Juli 2015 nach Mosul zu bringen endet für ihn in türkischem und für die Tante bei Bestands-kraft des ergangenen Urteils in deutschem Gefängnis


Am 15.01.2018 verurteilte das zuständige Schöffengericht am Amtsgericht München in dem von der Zentralstelle Extremismus/Terrorismus bei der Generalstaatsanwaltschaft München geführten Strafverfahren eine 34jährige irakische Arbeitslose kurdischer Volkszugehörigkeit aus Frankenthal wegen Entziehung Minderjähriger zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten.

Der aufgrund Tätlichkeiten gegenüber seiner säkular lebenden Mutter zuletzt in einer Einrichtung bei München lebende, in Deutschland geborene Neffe hatte sich v.a. unter Einfluss seiner Tante ab 2013 bis hin zu Koranverteilungen radikalisieren lassen, so dass er mit ihr und deren geringfügig jüngeren geistig behinderten Sohn Ende Juli 2015 in die IS-Hochburg Raqqa reisen wollte, während sich die Tante, nach mehreren Beziehungen in Deutschland nach ihren Angaben in Mosul reich verheiraten und mit ihrem bisher nur per Chatverkehr bekannten Mann von der Viehzucht leben wollte.

Aufgrund fehlender Papiere endete für Tante und deren Sohn die Reise bereits an der bulgarisch-türkischen Grenze. Sie ließ ihren Neffen mit dem von ihm noch in der Einrichtung entwendeten deutschen Personalausweis eines 17jährigen Mitbewohners per Bus bis in das türkisch-syrische Grenzgebiet weiter reisen. Ohne Sprachkenntnisse, Schlafplatz, Kontakt zum Verlobten der Tante und höchstens noch 100€ verriet sich der Neffe bei seinen Versuchen, per Internet seine weitere Reise nach Raqqa zu organisieren., Am fünften Reisetag wurde er deswegen in Gaziantep festgenommen und aufgrund seiner falschen Personalien bei älterem Aussehen zunächst für knapp 6 Monate in ein türkisches Erwachsenengefängnis verbracht. Nach Aufenthalten in einem Rückführungs- und einem Jugendzentrum kehrte er im April 2016 nach Deutschland zurück.

Die Tante hatte ihre 4 Jahre jüngere Schwester, die sie - beide nach paralleler väterlicher Gewalterfahrung früh faktisch elternlos - als Mutterersatz angesehen hatte, über den Verbleib ihres Sohnes bewusst angelogen, so dass diese, bei zwischenzeitlich schwerer Erkrankung, erst wieder an Weihnachten 2015 Kontakt zum Sohn bekam. Sie sieht den in die Einrichtung zurückgekehrten Sohn nun aber wieder mehrmals wöchentlich. Er hält aber auch weiter zur Tante, der er nicht vorwirft, dass er fast sechs Monate bei wenig Essen und viel Gewalterfahrung eingesperrt war und der gegenüber er sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft.

Die Angeklagte räumte den Tathergang weitgehend ein, will aber nicht gewusst haben, dass der Neffe in den Irak reisen wollte um dort im Dschihad zu kämpfen. Sie habe versucht, ihn durch Zuruf an der Weiterreise zu hindern. Ihre Schwester erklärte, dass die Angeklagte immer wieder versucht habe, sie zum Islam zu bekehren. Wegen ihres nicht muslimischen Lebensstils würde sie z. B. nach ihrem Tod mittels zweier Feuerketten an ihrer Vagina aufgehängt werden. Auch ihr Sohn habe sie damals wegen ihres nichtmuslimischen Lebensstils als Ungläubige, Hure und Schlampe, die den Propheten beleidigt, beschimpft und tätlich angegriffen.

Die zuständige vorsitzende Richterin des Schöffengerichtes hält in der Urteilsbegründung dafür, dass die Angeklagte durch Aufklärung der Grenzbeamten über wahre Identität und Alter des Neffen ihn ohne weiteres an der Weiterreise hätte hindern können. Sie begründet das Strafmaß mit dem weitgehenden Geständnis, bisheriger Straffreiheit und dem eigenen Willen des entzogenen Kindes zur Aus-reise. Andererseits habe die Angeklagte die Reise mit erheblicher krimineller Energie geheim gehalten und bereue nicht durch ihre Lügen die Mutter des Kindes über Monate in Angst und Verzweiflung gehalten zu haben. Im Gegenteil habe die Angeklagte den Neffen über Facebook dazu aufgefordert, der Mutter gegenüber seinen Aufenthalt geheim zu halten, da die mit denen zusammenarbeiten würde, wie jene lügen würde und ihn wie jene reinlegen wolle. Im Übrigen habe sie mit ihrer Reise auch eine erhebliche Gefährdung ihres eigenen behinderten Sohnes in Kauf genommen, wegen dessen Versorgung sie nun in Freiheit bleiben wolle.

Anmerkung: Die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus bei der Generalstaatsanwaltschaft München bearbeitet seit 01.01.2017 bayernweit schwerpunktmäßig Delikte mit terroristischem Hintergrund.


Urteil des AG München Schöffengericht vom 15.01.2018 Aktenzeichen 855 Ls 51 Js 20/17
 
Das Urteil ist aufgrund beidseitiger Berufung nicht rechtskräftig. 

Klaus-Peter Jüngst

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