Menü

Amtsgericht München

Amtsgericht München - Gebäude Maxburgstraße

Pressemitteilung 04 vom 06.03.2023

„Bitte keine Werbung einwerfen“

Mit Urteil vom 18.03.2022 untersagte das Amtsgericht München einem Umzugsunter-
nehmen, Werbematerial auf der Briefkastenanlage oder vor dem Hauseingang des
von dem Kläger bewohnten Mehrfamilienhauses abzulegen. Für jeden Fall der Zuwi-
derhandlung wurde ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR angedroht, ersatz-
weise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten.

Der Münchner Kläger fand an der Briefkastenanlage zwei Werbeflyer des Umzugsun-
ternehmens vor, die in eine Ritze zwischen einem Briefkasten und einem darunter
liegenden Spalt der Briefkastenanlage geklemmt waren. Sämtliche Briefkästen der
Anlage waren mit dem Hinweis „Bitte keine Werbung einwerfen“ gekennzeichnet.

Nach Auffassung des Klägers habe die Beklagte die Werbeflyer in rücksichtsloser Art
verteilen lassen. Die Bewohner des Hauses, die schon keine Werbung erhalten
möchten, legten erst recht keinen Wert auf wild abgelegte oder befestigte Reklame.
Hierdurch erhöhe sich der Lästigkeitsfaktor erheblich.

Die Beklagte meinte demgegenüber, sie habe die angeblich störende Art einer Ver-
teilung von Werbematerial nicht veranlasst und auch nicht zu vertreten. Die von ihr
beauftragten Verteiler seien angewiesen, Werbung nur in Briefkästen einzulegen,
die keinen Hinweis enthielten, dass der Nutzer keine Werbung haben möchte. Die Be-
klagte verweist außerdem darauf, dass die Briefkastenanlage der Wohnanlage für je-
den Passanten zugänglich sei und daher auch unbekannte Dritte das Werbematerial
dort abgelegt haben könnten.

Das Gericht gab der Klage vollumfänglich statt. Der zuständige Richter führte in der
Begründung aus:

„Dem Kläger steht ein Anspruch auf Unterlassung aus §§ 823 Abs. 1, 863 BGB in
Verbindung mit § 1004 BGB analog zu. Der Kläger wurde durch die Beklagte in sei-
nem Besitz bzw. Mitbesitz rechtswidrig gestört, es besteht Wiederholungsgefahr und
die Beklagte ist Störerin.

Eine Besitzstörung ist grundsätzlich anzunehmen durch das Einwerfen von Werbe-
Flyern, wenn wie hier erkennbar zu verstehen gegeben wird, dass der Einwurf von
Werbung nicht erwünscht ist. Dem Wohnungsbesitzer steht das Recht aus § 862
BGB zu, sich gegen eine Beeinträchtigung seiner räumlich-gegenständlichen Sphäre
durch das Aufdrängen von unerwünschtem Werbematerial zur Wehr zu setzen. 
Zwar wurde im vorliegenden Fall der Werbeflyer nicht in den dem Kläger zugewiese-
nen Briefkasten gesteckt; der Kläger wurde jedoch jedenfalls in seinem Mitbesitz an
der Briefkastenanlage und am Eingangsbereich des Mehrfamilienhauses gestört. 
Die Beklagte ist mittelbare Störerin, da sie Flyer der gegenständlichen Art unstreitig
auch im streitgegenständlichen Zeitraum in München hat verteilen lassen.
Der Einwand der Klägerin, ihre Austräger hätten die Flyer im konkreten Fall nicht ver-
teilt, greift nicht durch. Nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises kann davon
ausgegangen werden, dass Handzettel eines Unternehmens auch von Werbevertei-
lern, die für das Unternehmen tätig sind, im Zuge von Werbeaktionen eingeworfen
wurden. Hierbei handelt es sich um einen typischen Geschehensablauf. Die pau-
schale Behauptung, Dritte könnten Handzettel verteilt haben, steht der Bejahung des
Anscheinsbeweises nicht entgegen. Der Beklagten ist es auch im Rahmen der Be-
weisaufnahme nicht gelungen, Tatsachen zu beweisen, aus denen sich die ernst-
hafte Möglichkeit eines abweichenden (atypischen) Ablaufs ergibt.

Auch der Einwand der Beklagten, sie habe die von ihr beauftragten Austräger ange-
wiesen, Werbung nur auf erlaubte Weise zu verteilen, verfängt nicht. 
Die Beklagte ist gehalten, die von ihr beauftragten Verteiler eindringlich auf die Not-
wendigkeit einer entsprechenden Organisation und Kontrolle der Werbeaktion hinzu-
weisen, sich über den Einsatz geeigneter Schutzvorkehrungen zu vergewissern, Be-
anstandungen nachzugehen, schließlich gegebenenfalls dem Anliegen durch Andro-
hung wirtschaftlicher und rechtlicher Sanktionen einen stärkeren Nachdruck zu verlei-
hen. Zu denken ist hier etwa an eine Vertragsstrafenvereinbarung. Zur Einleitung
derartiger Maßnahmen hat die Beklagte jedenfalls nach dem vom Kläger gerügten
Verstoß jedoch nichts vorgetragen. (…)“

Urteil des Amtsgerichts München vom 18.03.2022
Aktenzeichen 142 C 12408/21
Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.

München, 03.03.2023
Pressestelle Amtsgericht München 

Download Pressemitteilung