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Generalstaatsanwaltschaft Bamberg

Pressemitteilung Nr. 8 vom 06.04.2021

„Cybertrading“: Weitere Tätergruppierung im Fokus der Ermittlungen – Groß angelegter „Action Day“ in der Republik Kosovo – Erfolgreiche Zusammenarbeit mit den kosovarischen Behörden – 18 Festnahmen

Gemeinsame Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg und des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West

Bereits am 31.03.2021 wurden nach umfangreichen Ermittlungen der Zentralstelle Cybercrime Bayern (ZCB) und der Kriminalpolizeiinspektion Neu-Ulm zahlreiche Maßnahmen gegen Mitglieder einer Tätergruppierung in der Republik Kosovo und in Berlin vollzogen, die in den vergangenen Jahren Anleger aus ganz Europa um Millionenbeträge betrogen haben soll. In der Republik Kosovo wurden achtzehn Tatverdächtige festgenommen, zudem wurden insgesamt 17 Objekte durchsucht. An den Maßnahmen im Kosovo nahmen zwei Staatsanwälte der ZCB und zehn Beamte der Kriminalpolizeiinspektion Neu-Ulm teil.

Bamberg/Neu-Ulm/Berlin/Pristina. Am vergangenen Mittwoch wurden in der Republik Kosovo insgesamt achtzehn Männer im Alter zwischen 22 und 45 Jahren festgenommen, denen vorgeworfen wird, an betrügerischen Online-Anlage-Plattformen (sog. „Cybertrading“) mitgewirkt zu haben. Für drei der Personen hatte die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg bereits im Vorfeld in enger Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizeiinspektion Neu-Ulm wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs Haftbefehle erwirkt. Aufgrund der deutschen Fahndungsmaßnahmen erfolgte jetzt die Inhaftierung. Nach derzeitigem Sachstand wird seitens der Zentralstelle Cybercrime Bayern um die Auslieferung von mindestens sechs der festgenommenen Männer ersucht werden. Die Inhaftierten stammen aus der Republik Kosovo, aus Albanien und aus Deutschland. Bei den Festgenommenen handelt es sich einerseits um Call-Center-Mitarbeiter, die bei deutschsprachigen Geschädigten besonders „erfolgreich“ waren und als „Top Broker“ für Schäden im Millionenbereich verantwortlich sein sollen, sowie andererseits um die führenden Köpfe der Call-Center.

Darüber hinaus konnte eine Vielzahl weiterer operativer Maßnahmen in der Republik Kosovo mit Erfolg vollzogen werden: Bei der Durchsuchung von insgesamt 17 Objekten, darunter sieben Call-Center, wurde umfangreiches Beweismaterial sichergestellt, mit dessen Auswertung noch vor Ort begonnen wurde. An den Arbeitsplätzen der Call-Center-Mitarbeiter wurden teilweise detaillierte Anweisungen und Leitfäden für den Kontakt zu den Geschädigten aufgefunden. Ferner wurden im Zuge der Durchsuchungsmaßnahmen unter anderem sieben Fahrzeuge sowie Bargeld in Höhe von ca.160.000 Euro sichergestellt. Im Nachgang der Durchsuchungen erfolgte schließlich noch die Beschlagnahme mehrerer Konten mit Guthaben in Höhe von rund 700.000 Euro. Am Vollzug der Maßnahmen waren insgesamt 240 kosovarische Polizeibeamte beteiligt.

Zeitgleich kam es in Berlin zum Vollzug zweier weiterer Durchsuchungsbeschlüsse an der Privat- und Geschäftsanschrift eines weiteren mutmaßlichen Mitglieds der internationalen Tätergruppierung. 

Hintergrund

Die Bekämpfung des betrügerischen „Cybertradings“ steht bereits seit längerem im Fokus der Staatsanwälte der Zentralstelle Cybercrime Bayern. Zuletzt Mitte März 2021 veranlasste die ZCB in einem anderen Verfahrenskomplex, der sich gegen eine weitere Tätergruppierung richtet, Festnahmen und Durchsuchungen durch die bulgarischen Behörden in Sofia. Die jetzigen Maßnahmen stehen damit in keinem Zusammenhang. Sie verdeutlichen, dass sich unterschiedliche Gruppierungen der internationalen organisierten Kriminalität diesem illegalen Geschäftsmodell verschrieben haben.

Die Täter, gegen die sich die jetzigen Maßnahmen in der Republik Kosovo sowie in Berlin richteten, sollen seit 2017 zumindest die Plattformen FXCMarkets, FXOptexGroup, Swissinv24, CFXPoint, IForex24, CodexFX, HBCMarket, CapitalGFX, Investment Department, Tradingmarkets24 und Brokermasters betrieben haben.

Der Tatablauf des betrügerischen „Cybertradings“ gestaltet sich in seiner Grundstruktur regelmäßig gleich. Die Täter spiegeln den potenziellen Kunden vor, digitale Plattformen für den Handel mit unterschiedlichsten Finanzinstrumenten (bis zu deren Untersagung vor allem binäre Optionen, nunmehr insbesondere CFDs, Forex, Kryptowährungen) zur Verfügung zu stellen. Eine Investition bzw. eine Platzierung von Optionen sowie ein Vorhalten von Anlegergeldern zur Rückzahlung bzw. zur Gewinnausschüttung finden in Wahrheit nicht statt. Die eingezahlten Gelder werden zu keinem Zeitpunkt einer Kapitalanlage zugeführt, die für den Kunden sichtbare Handelsplattform ist ebenso wie das angebliche Kundenkonto eine reine Täuschung. In einer Vielzahl von Fällen kommt es nach einzelnen missglückten angeblichen Trades zu einem Totalverlust des eingesetzten Kapitals.

Von dem Deliktsphänomen, das der internationalen organisierten Cyber-Kriminalität zuzurechnen ist, sind allein in Deutschland mehrere tausend Anleger betroffen. In zahlreichen anderen europäischen Ländern finden sich unzählige weitere Geschädigte. Das Dunkelfeld ist beträchtlich, da vielen Anlegern das hohe Verlustrisiko der gewählten Investmentart bekannt ist und sie irrtümlich davon ausgehen, dass sich eben dieses Risiko verwirklicht hat.

Internationale Zusammenarbeit unter Beteiligung des Bundeskriminalamts sowie des Center for International Legal Cooperation

Der Erfolg des Action Days in der Republik Kosovo ist maßgeblich auf die intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den kosovarischen Ermittlungsbehörden (“Special Prosecution Office of Kosovo” in Pristina) zurückzuführen. Wichtige Unterstützung erhielten die Bamberger und kosovarischen Staatsanwälte sowie die Ermittler aus Neu-Ulm und Pristina zudem vom Bundeskriminalamt in Wiesbaden sowie über das IPA 2019 Projekt „Countering Serious Crime in the Western Balkans“. Die bayerischen Ermittler bedanken sich bei ihren kosovarischen Partnern für die vertrauensvolle und professionelle Zusammenarbeit und die Möglichkeit, an den Maßnahmen vor Ort, teilnehmen zu dürfen. Die guten Beziehungen der Zentralstelle Cybercrime Bayern und der beteiligten Polizeidienststellen zu ihren europäischen Partnern haben sich einmal mehr als außerordentlich wertvoll erwiesen. Kriminalität macht vor Grenzen keinen Halt – eine effektive Strafverfolgung setzt deshalb auch grenzüberschreitende Zusammenarbeit voraus.

Die komplexen und aufwändigen Ermittlungen der Zentralstelle Cybercrime Bayern und der Kriminalpolizeiinspektion Neu-Ulm dauern an. Weitere Einzelheiten zum Stand des Verfahrens können, um die fortdauernden europaweiten Ermittlungen nicht zu gefährden, derzeit nicht bekannt gegeben werden.