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Generalstaatsanwaltschaft Bamberg

Pressemitteilung Nr. 16/2025 vom 21.07.2025

Lamborghini, Rolls-Royce vs. hunderte Geschädigte – Anklageerhebung gegen Betrugsnetzwerk nach Zugriffen in Serbien, Bulgarien und der Ukraine

Bamberg. Nach jahrelangen intensiven Ermittlungen hat die Zentralstelle Cybercrime Bayern Anklage gegen einen mutmaßlichen Kopf eines internationalen Betrugsnetzwerks erhoben. Dem Angeklagten, der der obersten Führungsebene zugerechnet wird, liegt gewerbs- und bandenmäßiger Betrug zur Last. Der 36-jährige israelische und ukrainische Staatsangehörige muss sich vor der Cyber-Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Bamberg wegen eines Gesamtschadens von knapp 10 Millionen Euro verantworten. Neben ihm ist noch ein 41-jähriger israelischer Mitbeschuldigter angeklagt. Gegen zahlreiche bereits abgeurteilte Mittäter wurden in den vergangenen Jahren langjährige Freiheitsstrafen verhängt. Im Laufe der komplexen Ermittlungen konnten mehrere Millionen EUR beschlagnahmt werden.

Dem Hauptangeklagten wird nach den gemeinsam mit einer Ermittlungskommission der Kriminalpolizeiinspektion Bamberg seit Sommer 2019 mit großem Aufwand geführten Ermittlungen vorgeworfen, ab Frühsommer 2018 bis April 2020 hochrangiges Mitglied einer professionell organisierten und hierarchisch strukturierten Tätergruppierung, die sich zur fortdauernden Begehung von Betrugstaten in Form des betrügerischen Cybertradings zusammengeschlossen hatte, gewesen zu sein.


Länderübergreifendes Betrugsnetzwerk verursachte immense Schäden

Nach der nun erhobenen Anklage betrieb das kriminelle Netzwerk in diesem Zeitraum im Internet verschiedene auf Investment-Betrug ausgelegte Trading-Plattformen, darunter die in Deutschland sehr „erfolgreichen“ Plattformen Trade Capital und Fibonetix. Das Betrugsnetzwerk agierte hierfür länderübergreifend und unterhielt drei Callcenter, und zwar in der Ukraine (Kiew), in Bulgarien (Sofia) und in Serbien (Belgrad). Aus Verschleierungsgründen kam es in Bulgarien und Serbien mehrfach zu Umfirmierungen und Standortwechseln. Die Gruppierung zielte nicht nur auf Investoren aus dem deutschsprachigen Raum ab, sondern auch z. B. auf Interessenten aus englischsprachige Ländern.

Ausgehend von den angezeigten Fällen in Deutschland wird dem Hauptangeklagten vorgeworfen, für einen gemeinsam mit seinen Mittätern bei 399 identifizierten Personen verursachten Gesamtschaden in Höhe von knapp 10 Millionen EUR (brutto) verantwortlich zu sein. Eine Reihe von Geschädigten wurde um sechsstellige Beträge betrogen; der höchste Einzelschaden eines Müncheners liegt bei 584.000 EUR. Das Dunkelfeld ist allerdings erheblich. Ausgehend von gesicherten Buchhaltungsunterlagen ist von einem tatsächlichen Schaden von jedenfalls 27 Millionen EUR (brutto) auszugehen. Allein im umsatzstärksten Monat (Juli 2019) wurden mehr als 2,6 Millionen EUR eingespielt.


Auslieferung der Angeklagten aus Israel im Jahr 2023

Der Hauptangeklagte war nach dem Ergebnis der Ermittlungen zwar nicht direkt in das Tagesgeschäft der Callcenter involviert; er soll aber gemeinsam mit einem Freund, nach dem als operativen Strippenzieher noch gefahndet wird, an der Spitze der Tätergruppierung gestanden haben. Aus der Ukraine heraus soll er im Hintergrund strategische und unternehmerische Entscheidungen getroffen und wesentliche Tatbeiträge geleistet haben. So soll er z. B. ein von ihm aufgebautes und beherrschtes weltumspannendes Geflecht aus Firmen und Scheinfirmen mit zahlreichen Geschäftskonten zur Verfügung gestellt haben. Nach der Anklage hat er aus den Betrugstaten Taterträge in Höhe von mindestens 5,6 Millionen EUR erzielt.

Dem Mitangeklagten wird vorgeworfen, ab Mai 2019 für knapp sechs Monate in dem Office in Sofia für das operative Management des Backoffice-Bereichs verantwortlich gewesen zu sein. Er soll sich um die interne Organisation und einen optimierten Ablauf der Prozesse innerhalb des Callcenter gekümmert haben und deshalb für einen Schaden von ca. 3,2 Millionen EUR mitverantwortlich sein.

Die beiden Angeklagten wurden im Dezember 2021 in Israel festgenommen. Im März 2023 bzw. Juli 2023 erfolgte schließlich die Auslieferung nach Deutschland. Die Angeklagten hatten sich hiermit zuvor einverstanden erklärt.

 
Mehrere Action Days in verschiedenen Staaten binnen anderthalb Jahren

Seit 2019 ist das unverändert hochaktuelle Kriminalitätsphänomen Investment-Betrug über vermeintliche Trading-Plattformen im Netz einer der Schwerpunkte in der Ermittlungsarbeit der Zentralstelle Cybercrime Bayern. Der nun angeklagte Komplex zählt hierbei zu den Ermittlungsverfahren der ersten Stunde und zeichnet sich durch eine Reihe von mit sehr großem Aufwand betriebenen operativen Maßnahmen im In- und Ausland aus:

  • Anfang April 2020 kam es zu einem ersten konzertierten Action Day in Serbien und Bulgarien mit zahlreichen Festnahmen und Durchsuchungen. Parallel konnten in Deutschland auf einem zentralen Konto mehr als 2,7 Millionen EUR gesichert werden (zu den Einzelheiten vgl. Pressemitteilung vom 07.04.2020).
  • Im Dezember 2020 wurden durch die ukrainischen Behörden zahlreiche operative Maßnahmen vollzogen. So kam es u.a. zur Durchsuchung des Standorts in Kiew. Bei dem Hauptangeklagten wurden neben diversen Luxusuhren und Bargeld auch zahlreiche hochpreisige Luxusfahrzeuge beschlagnahmt, u.a. ein Lamborghini und ein Rolls-Royce. Die beiden Fahrzeuge wurden unter großem logistischem Aufwand im November 2021 auf dem Luftweg von der Ukraine nach Bayern verbracht und im weiteren Verlauf für einen hohen sechsstelligen Betrag veräußert
  • Aufgrund eines von der Gruppierung genutzten maßgeblich aus Berlin agierenden Geldwäschenetzwerks wurden im Februar 2021 in der Hauptstadt gemeinsam mit den Berliner Behörden mehrere Objekte durchsucht. Der verhaftete Organisator dieses Netzwerks wurde im weiteren Verlauf durch das Landgericht Berlin zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt.
  • Mitte März 2021 fand ein zweiter Action Day in Bulgarien statt. Es konnten insgesamt fünf Mittäter festgenommen werden. Diese wurden in der Folgezeit sukzessive nach Deutschland ausgeliefert.
  • Parallel kam es 2021/2022 in der Ukraine zur Festnahme von drei ukrainischen Mittätern aus dem unmittelbaren Umfeld des Hauptangeklagten.

Zahlreiche Mittäter bereits verurteilt

In dem Verfahrenskomplex liegen bereits zahlreiche Verurteilungen vor. Die drei in der Ukraine verfolgten Mittäter wurden durch das Amtsgericht Kiew jeweils zu Freiheitsstrafen von 5 Jahren verurteilt. In Bayern wurden in den vergangenen Jahren bereits neben einem Deutschen und einem Serben sieben bulgarische Staatsangehörige, die in dem Callcenter der Gruppierung in Bulgarien als sog. Retention Agents betrügerisch an vorderster Front agiert hatten, nach Abgabe weitreichender Geständnisse zu Freiheitsstrafen von bis zu 4 Jahren verurteilt.

Die Zentralstelle Cybercrime Bayern hatte die Anklage zunächst bereits im Mai 2024 zum Landgericht München erhoben. Nachdem im Oktober 2024 am Landgericht Bamberg eine für solche Fälle nunmehr ausschließlich zuständige Cyber-Wirtschaftsstrafkammer eingerichtet worden war, wurde die Anklage im November 2024 nochmals erhoben. Sie wurde unverändert zur Hauptverhandlung, die in Kürze beginnen wird, zugelassen.

Parallel wird in einem gesonderten Verfahren der Prozess gegen zwei weitere angeklagte Callcenter-Agenten aus Bulgarien starten.

Für gewerbs- und bandenmäßigen Betrug sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vor.