Pressemitteilung 06/2020 vom 06.05.2020
„Zivilprozess der Zukunft“ - Neue Videokonferenzanlage am Landgericht München I erfolgreich gestartet -
Am Donnerstag, den 30.04.2020 ab 10 Uhr wurde am Landgericht München I die erste mündliche Verhandlung mit der neuen mobilen Videokonferenzanlage gem. § 128 a Zivilprozessordnung erfolgreich durchgeführt.
Die auf Patent- und Urheberrecht spezialisierte 7. Zivilkammer verhandelte einen Patentrechtsstreit (Az. 7 O 15606/19) in Sitzungssaal 155 im Justizpalast in München. Hierzu hatten sich die Rechts- und Patentanwälte beider Seiten jeweils aus ihren Kanzleiräumen zugeschaltet.
Damit hat die neue Videokonferenzanlage des Landgerichts München I ihren Praxistest im zivilrechtlichen Bereich bestanden. Mit der neuen Anlage baut das Landgericht die Möglichkeit für Verhandlungen im Wege der Bild- und Tonübertragung gegenüber der bereits seit 2008 im Justizpalast vorhandenen Technik deutlich aus.
Bei der neuen Anlage sind Kamera und Bildschirm bereits integriert, sodass ein aufwändiger Aufbau entfällt. Die Anlage kann einfach über ein Touchpanel bedient werden. Dies kann auch durch den Richter in der Verhandlung geschehen. Mit der neuen Anlage sind sowohl direkte Verbindungen zu anderen Videokonferenzanlagen als auch Videokonferenzen in einem virtuellen Videokonferenzraum mit mehreren Teilnehmern möglich. Die Teilnehmer können hierbei auch mittels anderer gängiger Endgeräte wie z.B. PC, Laptop, Tablets oder Mobiltelefone teilnehmen. Die Anlage ermöglicht daher sowohl Verbindungen zu anderen Gerichten mit Videokonferenzanlagen, z.B. zur Vernehmung eines Zeugen an dem anderen Gericht, als auch eine Verbindung zu anderen Prozessbeteiligten, z.B. Rechtsanwälten, welche sich in ihrer Kanzlei befinden.
Die Richterinnen und Richter sitzen unter Einhaltung des Sicherheitsabstands von 1,5 Metern im jeweiligen Sitzungssaal, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie die Parteien können über die Videokonferenzanlage zugeschaltet werden. Die interessierte Öffentlichkeit kann unter Einhaltung des Sicherheitsabstands im Sitzungssaal die Verhandlung verfolgen.
Die zuständigen Richterinnen und Richter entscheiden in richterlicher Unabhängigkeit, ob sich ein Verfahren für eine Videokonferenz nach § 128a ZPO eignet.
„Auch unabhängig von der derzeitigen Situation werden wir die Digitalisierung beim Landgericht München I weiter vorantreiben. Die neue Videokonferenzanlage ist hierzu ein wichtiger Baustein. Justiz ist für die Menschen da – analog und digital!“ so die Präsidentin des Landgerichts München I, Dr. Andrea Schmidt.
Weitere Termine für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Wege des § 128 a ZPO mittels der neuen Videokonferenzanlage sind in Planung. Über die konkreten Termine wird die Pressestelle interessierte Pressevertreter informiert halten.
Zum Hintergrund des verhandelten Verfahrens (Az. 7 O 15606/19):
Inhaltlich ging es in der mündlichen Verhandlung um einen frühen ersten Termin nach dem Münchener Ver-fahren in Patentverletzungssachen. Die Klägerin, eine Patentverwertungsgesellschaft, macht geltend, dass die Beklagte, durch Angebot und Vertrieb von Kommunikationslösungen für Geschäftskunden das Europäische Patent, Nr. 1 432 254 B1, der Klägerin betreffend eine Anrufleitwegsvorrichtung verletze. Die Beklagte stellt dies in Abrede und trägt darüber hinaus vor, dass das Klagepatent nicht rechtsbeständig sei. Ferner macht die Beklagte geltend, dass die frühere Inhaberin des Klagepatents ihr an dem Klagepatent eine Lizenz eingeräumt habe.
§ 128a ZPO: Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung
(1) Das Gericht kann den Parteien, ihren Bevollmächtigten und Beiständen auf Antrag oder von Amts wegen gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfah-renshandlungen vorzunehmen. Die Verhandlung wird zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sit-zungszimmer übertragen.
(2) Das Gericht kann auf Antrag gestatten, dass sich ein Zeuge, ein Sachverständiger oder eine Partei während einer Vernehmung an einem anderen Ort aufhält. Die Vernehmung wird zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen. Ist Parteien, Bevollmächtigten und Beiständen nach Absatz 1 Satz 1 gestattet worden, sich an einem anderen Ort aufzuhalten, so wird die Vernehmung auch an diesen Ort übertragen.
(3) Die Übertragung wird nicht aufgezeichnet. Entscheidungen nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 sind unanfechtbar.
Hinweis:
Zur Digitalisierung der Gerichte in Bayern verweisen wir auf die Pressemitteilung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom heutigen Tage.
Verfasserin der Pressemitteilung:
Richterin am Landgericht München I Dr. Anne-Kristin Fricke - Pressesprecherin -