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Pressemitteilung 10 vom 26.04.2021

Entschädigungsansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz für Sport und Kultur?

Infolge der von Seiten des Staates ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der aktuellen Coronaepedemie beklagen viele Unternehmen aus dem Bereich von Sport, Kultur und Freizeit erhebliche Umsatzeinbußen. Einige davon haben Klagen gegen den Freistaat Bayern erhoben und fordern Schadenersatz, soweit die Umsatzeinbußen nicht durch die sogenannten Corona-Soforthilfen aufgefangen wurden.


Die 15. Zivilkammer des Landgerichts München I, welche unter anderem zu Entscheidungen über Amtshaftungsansprüche berufen ist, wird am Mittwoch, den 28. April 2021 über zwei dieser Klagen entscheiden. Geklagt haben die Betreiberin einer Kartbahn (Az. 15 O 7232/20, Streitwert ca. 11.000.- Euro) sowie der Betreiber einer Musik- und Filmproduktion (Az. 15 O 10858/20, Streitwert ca. 6.000.- Euro).
In beiden Fällen haben die Kläger vorgetragen, durch die am 16.03.2020 vom Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege sowie für Familie, Arbeit und Soziales erlassene Allgemeinverfügung (Az. 51-G8000-2020/122-67) Einnahmeausfälle erlitten zu haben, die nicht vollständig durch sogenannte „Corona-Soforthilfen“ aufgefangen wurden. Die genannte Allgemeinverfügung hatte unter anderem den Betrieb sämtlicher Einrichtungen, die nicht zur notwendigen Verrichtung des täglichen Lebens, sondern der Freizeitgestaltung dienen, untersagt. Anschließend an die Allgemeinverfügung wurde ebendies durch die Bayerische Verordnung über Infektionsschutzmaß-nahmen anlässlich der Corona-Pandemie vom 27.03.2020 geregelt. Beide Kläger waren dadurch von entsprechenden Betriebsschließungen betroffen.

Die 15. Zivilkammer wird bei ihrer Entscheidung darüber zu befinden haben, ob in den zu entscheidenden Fällen dem Grunde nach Entschädigungsansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz denkbar sind. Rechtlich wird dabei insbesondere darüber diskutiert, ob für die Gewährung von Entschädigungsansprüchen zwischen Maßnahmen der Infektionsabwehr und Infektionsbekämpfung zu unterscheiden ist und ob diese Maß-nahmen überhaupt eindeutig abgrenzbar sind. Soweit die Kammer einen normierten Entschädigungsanspruch auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes verneint, wird weiter zu entscheiden sein, ob auf anderer gesetzlicher Grundlage oder in analoger Anwendung bestehender Reglungen dennoch ein Entschädigungsanspruch der Kläger denkbar ist.


In beiden Verfahren werden am 28. April 2021 um 11 Uhr die Entscheidungen der 15. Zivilkammer verkündet. Erwartet werden Entscheidungen, die dazu Stellung nehmen, ob dem Grunde nach Ansprüche bestehen oder nicht. Über die Höhe eines etwaigen Schadenersatzanspruches wird auch dann, wenn das Gericht die geltend gemachten Schadenersatzansprüche bejaht, noch keine Entscheidung getroffen.


Zum Hintergrund:
Amtshaftungsansprüche sind Ansprüche, die Bürger gegen den Staat geltend machen mit der Begründung, der Staat habe Rechte der Bürger verletzt und ihnen dadurch Schaden zugefügt.


Gestützt werden die Klagen unter anderem auf § 65 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen. Dieser lautet:
§ 65 Entschädigung bei behördlichen Maßnahmen
(1) 1Soweit auf Grund einer Maßnahme nach den §§ 16 und 17 Gegenstände vernichtet, beschädigt oder in sonstiger Weise in ihrem Wert gemindert werden oder ein anderer nicht nur unwesentlicher Vermögensnachteil verursacht wird, ist eine Entschädigung in Geld zu leisten; eine Entschädigung er-hält jedoch nicht derjenige, dessen Gegenstände mit Krankheitserregern oder mit Gesundheitsschädlingen als vermutlichen Überträgern solcher Krankheitserreger behaftet oder dessen verdächtig sind. 2§ 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist entsprechend anzuwenden.
(2) 1Die Höhe der Entschädigung nach Absatz 1 bemisst sich im Falle der Vernichtung eines Gegenstandes nach dessen gemeinem Wert, im Falle der Beschädigung oder sonstigen Wertminderung nach der Minderung des gemeinen Wertes. 2Kann die Wertminderung behoben werden, so bemisst sich die Entschädigung nach den hierfür erforderlichen Aufwendungen. 3Die Entschädigung darf den gemeinen Wert nicht übersteigen, den der Gegenstand ohne die Beschädigung oder Wertminderung gehabt hätte. 4Bei Bestimmung des gemeinen Wertes sind der Zustand und alle sonstigen den Wert des Gegenstandes bestimmenden Umstände in dem Zeitpunkt maßgeblich, in dem die Maßnahme getroffen wurde. 5Die Entschädigung für andere nicht nur unwesentliche Vermögensnachteile darf den Betroffenen nicht besser stellen, als er ohne die Maßnahme gestellt sein würde. 6Auf Grund der Maßnahme notwendige Aufwendungen sind zu erstatten.