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Amtsgericht München

Amtsgericht München - Gebäude Maxburgstraße

Pressemitteilung 84 vom 15.10.2018

Zetteltrick

Die Hilfsbereitschaft hilfsdürftiger älterer Mitbürger betrügerisch auszunützen, trägt zwei Angeklagten erhebliche Strafen ein.

Am 24.09.2018 verurteilte das zuständige Schöffengericht am Amtsgericht München eine fast 24-jährige ledige frühere Produktionsaushilfe aus Oberhausen sowie deren 22-jährige Schwester, zweifache Mutter und Hausfrau aus Berlin, wegen Bandendiebstahls in drei bzw. zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten ohne Bewährung bzw. zu einem Jahr und sechs Monaten mit Bewährung. Beide hatten sich seit 06.04.2018 in Untersuchungshaft befunden.

Im Oktober 2017 gegen 14.00 Uhr bat ein Mittäter die 87-jährige Geschädigte an ihrer Wohnungstür in München-Sendling einen Zettel für den Nachbarn zu verfassen, da er selbst schlecht sehen könne. Er wolle dort Arzneimittel aus der Apotheke abgeben. Als sie aus ihrer Küche den erbetenen Zettel holen wollte, folgte er ihr kurzerhand in die Küche. Die ältere Angeklagte gelangte währenddessen unbemerkt in die Wohnung und durchwühlte das Schlafzimmer, wo sie Goldschmuck im Wert von ca. 1.200,00 Euro entwendete.

Im März 2018 gegen 09.30 Uhr sprach die jüngere Angeklagte eine weitere Geschädigte an und brachte diese dazu, sie mit in ihre Wohnung in München-Hadern zu nehmen, wo deren 81-jähriger Ehemann wartete. Dort verwickelte sie nach besagter Zettelfrage die Geschädigten in der Küche, deren Türe sie zuvor geschlossen hatte, in ein Gespräch und deckte das Fenster der Küchentür mit einem wie zufällig hochgehaltenen bunten Tuch ab, während die ältere Angeklagte unbemerkt aus dem Schlafzimmer Bargeld und Schmuck im Gesamtwert von knapp 8.000 Euro entwendete.

Am selben Tag gegen 16.30 Uhr bot die jüngere Angeklagte einer 90-jährigen Geschädigten Hilfe beim Tragen ihres Einkaufstrolleys in ihre Wohnung in München - Berg am Laim an. In der Wohnung angekommen, bat die Angeklagte neben besagtem Zettel um ein Glas Wasser. Als sie die Decke auch hier ausbreiten wollte, zog die misstrauisch gewordene Geschädigte die Decke zur Seite und sah den weiteren Mittäter, der gerade angefangen hatte, erbeutete Gegenstände im Wert von ca. 50,00 Euro einzustecken. Beide ergriffen die Flucht, als die Geschädigte angekündigte, nun die Polizei rufen zu wollen.

Während das erste Opfer angab, die Tat gut verkraftet zu haben, schildert der zweite 81-jährige Geschädigte nachfolgende Alpträume. Auch die dritte Geschädigte gab an, seit dem Vorfall weniger Vertrauen zu anderen Menschen zu haben.

Die Angeklagten hatten einen Teil der Schäden vor, den Rest im Rahmen der Hauptverhandlung in bar den drei Geschädigten erstattet und sich bei ihnen im Anschluss an deren Zeugenvernehmungen jeweils entschuldigt, was nur von der ersten Geschädigten vorbehaltlos angenommen wurde. Beide Angeklagten räumten die ihnen vorgeworfenen Taten vollumfänglich ein und gaben einen Bruder und einen Cousin als weitere Mittäter an. Die Ältere war durch DNA-Spuren, die sie an einem Tatort hinterlassen hatte, identifiziert worden.

Die vorsitzende Richterin begründete das Urteil des Schöffengerichts wie folgt:
„Insgesamt ist auch zu sehen, dass die Angeklagten ihre Opfer gezielt nach Alter und Gebrechlichkeit aussuchten und daraus auf Kritiklosigkeit und fehlende Wehrhaftigkeit schlossen. Sie nutzten die Hilfsbereitschaft ihrer Opfer aus, was dazu führen dürfte, dass diese in  Zukunft nicht mehr so leicht anderen Menschen helfen. (…)
Zu Lasten der (…älteren Angeklagten…) war insofern auch zu berücksichtigen, dass ihr eine übergeordnete Rolle zukam. Diese Vormachtstellung zeigte sich in der Hauptverhandlung auch darin, dass die Angeklagte (…) auf die Fragen antwortete, welche an ihre jüngere Schwester gerichtet waren. Schließlich ist die Angeklagte erheblich und einschlägig vorbestraft und steht unter offener Bewährung. (…)
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe der (…jüngeren Angeklagten…) konnte zur Bewährung ausgesetzt werden, da die Sozialprognose der Angeklagten günstig ist. Sie ist bisher nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten. Zudem schien sie durch die vollzogene Untersuchungshaft und den hiesigen Prozess erheblich beeindruckt gewesen zu sein, zumal sie ihre zwei kleinen Kinder während der Untersuchungshaft nicht sehen konnte. (…) Die Angeklagte zeigte sich reuig und geständig und es bleibt die Hoffnung, dass sie sich nunmehr tatsächlich um eine legale Beschäftigung kümmern wird, um ihren Kindern eine weitere Verhaftung ihrer Person zu ersparen.

Urteil des Amtsgerichts München vom 24.09.2018, Aktenzeichen 812 Ls 247 Js 134599/18

Das Urteil gegen die jüngere Angeklagte ist rechtskräftig. Im Übrigen wurde sowohl von der älteren Angeklagten wie auch von der Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt.


Klaus-Peter Jüngst

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