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Amtsgericht München

Amtsgericht München - Gebäude Maxburgstraße

Pressemitteilung 29 vom 08.04.2019

Geschenkt

Nicht nur das Amtsgericht München lässt Gnade walten

Vor dem Amtsgericht München wurde am 28.03.2019 das Strafverfahren gegen einen 53-jährigen ledigen Afghanen wegen dreier Beförderungserschleichungen im Hinblick auf eine anderweitig erfolgte Verurteilung eingestellt.

Die Staatsanwältin beschuldigte den Angeklagten am 23.05., 28.06. und 13.08.2018 mit Bus und U-Bahn der Münchner Verkehrsgesellschaft mbH (MVG) gefahren zu sein, ohne im Besitz eines dafür erforderlichen gültigen Fahrausweises gewesen zu sein, woraus ein Gesamtschaden von 8,70 Euro entstanden sei.
Über seinen Verteidiger ließ er erklären, dass der Tatvorwurf der Wahrheit entspreche. Die Begehung der Taten tue dem Angeklagten sehr leid. Bei einem schweren Unfall auf einer Rolltreppe vor einigen Jahren sei er erheblich verletzt worden. Seit dieser Zeit sei er arbeitsunfähig und vergesslich geworden: er verliere öfter Sachen, wie z. B. seine angesichts seiner Mittellosigkeit ihm seitens der Behörden teilweise auch kostenlos überlassenen Dauerfahrscheine.
Der Angeklagte fügte hinzu, überdies an Epilepsie zu leiden.

Der zuständige Strafrichter stellte eingangs die Frage, wieso der Angeklagte, der seit 2003 in Deutschland aufenthaltsberechtigt ist, noch einen Dolmetscher brauche. Der Dolmetscher erklärte nur zur Ergänzung und höchst sicherheitshalber dabei zu sein, trug aber dann die Personalien des Angeklagten selbständig vor und übersetzte sicherheitshalber alles, obwohl der Richter ihn wiederholt aufforderte, nur auf Nachfrage des Angeklagten ergänzend zu übersetzen. Der Angeklagte zeigte sich in der Lage selbst auf Deutsch zu antworten.

Bereits dieser Wortwechsel verursachte einige Heiterkeit bei den als Zuhörer anwesenden fünf Erzieherinnen und einem Erzieher, Studierende einer Münchner Fachakademie der Sozialpädagogik, die der Richter jedoch nicht unterband.

Auf weitere Frage des Richters antwortete der Angeklagte: „Ich hab keine Fahrkarte. Am Freitag komme ich mein Geld. Erst dann kann ich wieder eine kaufen.“
Auf die weitere Frage, wie er den heute zur Verhandlung gekommen sei, antwortete der Angeklagte wahrheitsgemäß heute wiederum ohne Fahrkarte hergekommen zu sein.
Der Richter ließ seinen Kopf auf die Richterbank sinken und hielt dem Angeklagten dann vor, dass eine Fahrt ohne Fahrschein zur Verhandlung wegen Schwarzfahrens so sei, als ob man seinen Kopf in das geöffnete Maul eines Krokodils lege.
Der Verteidiger wies zur weiter gesteigerten Heiterkeit der Zuhörer den Richter darauf hin, dass es im Kulturkreis des Angeklagten keine Krokodile gäbe.

Erörtert wird nun, dass der Angeklagte zwischenzeitlich wegen anderer schwerwiegenderer Straftaten zu einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt worden war, so dass sich alle Verfahrensbeteiligten auch wegen des als vergleichsweise gering angesehenen Verschuldens auf eine gerichtliche Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 154 Abs.2 StPO einigten, da die hier zu erwartende Verurteilung im Vergleich zu jener bereits erfolgten nicht ins Gewicht fallen dürfte.

Das Publikum bekundet nochmals Heiterkeit, als der Richter schließlich die schriftliche Anweisung der Dolmetschertätigkeit mit der Einschränkung versah, der Dolmetscher habe nur ergänzend übersetzt.

Angerührt von der beklagenswerten Situation des Angeklagten hatten die Studierenden jedoch gleichzeitig spontan ihre noch unbenutzten MVG-Streifenkarten eingesammelt, um sie dem Angeklagten zu schenken. Wohl auch davon inspiriert steckte der Dolmetscher dem Angeklagten außerhalb des Sitzungssaals noch einen Zehn-Euro-Schein zu.

Einstellung des Amtsgerichts München vom 28.03.2019, Aktenzeichen 851 Ds 256 Js 106068/19



Klaus-Peter Jüngst

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