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Amtsgericht München

Amtsgericht München - Gebäude Maxburgstraße

Pressemitteilung 89 vom 11.11.2019

Verlobung im Sitzungssaal

Das in der Verhandlung erneuerte Verlöbnis eröffnet dem mutmaßlichen Opfer ein Zeugnisverweigerungsrecht und dem Angeklagten den Weg zum Freispruch

Am 02.09.2019 sprach das zuständige Schöffengericht am Amtsgericht München einen 45jährigen Münchner Standbetreiber nach entsprechend übereinstimmenden Anträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung vom Vorwurf mehrfacher Körperverletzung seiner 54jährigen Freundin frei.

Ihm war zur Last gelegt worden, seine auch nach Beendigung einer etwa vierjährigen Beziehung in der gemeinsamen Wohnung verbliebene frühere Freundin Anfang Juli 2018 einmal gegen 18h nach hinten umgeschubst zu haben, ihr dann mehrere Haarbüschel ausgerissen und ihr gegen den Oberkörper geschlagen und getreten zu haben. Am Folgemorgen gegen 11:00 Uhr soll er sie plötzlich mit der rechten Hand am Hals fast bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben. Als die Geschädigte wieder zu sich gekommen sei, soll er sie mit den Worten „Jetzt stirb nicht“ geschüttelt und weiter angekündigt haben, dass er eine Angehörige der Geschädigten „vögeln“ und umbringen wolle.
Zuletzt soll er sie Ende Mai 2019 halb aus dem Bett gezogen und mit den Fäusten mehrfach auf ihr Gesicht, ihren Kopf sowie ihr bereits vorgeschädigtes Knie eingeschlagen haben.

In der Verhandlung erklärte sein Verteidiger, dass keinerlei Angaben zur Sache gemacht würden.
Die nach Anklage geschädigte Zeugin erklärte vor Gericht mit dem Angeklagten verlobt zu sein: „Ich möchte keine Angaben zur Sache machen. Das Verlöbnis besteht seit vier Jahren. Die Hochzeit fand aus finanziellen Gründen noch nicht statt. Der Ring fehlt noch. Der Heiratsantrag war schön. Wir sind wirklich verlobt. Der Heiratsantrag war in einem Restaurant. Frisch verliebt und frisch verlobt. Das war vor knapp vier Jahren.“
Auf Hinweis des Gerichtes, dass nach ihren Angaben bei der Polizei kein Verlöbnis bestehe, berief sie sich auf damalige gesundheitsbedingte Gedächtnisstörungen und beteuerte nochmals mit dem Angeklagten weiter verlobt zu sein.
Der Angeklagte erklärte daraufhin: „Ich liebe Dich auch. Ich möchte Dich auch heiraten“ und küsste die Zeugin im Sitzungssaal. Diese erklärte: „Der Antrag ist natürlich angenommen.“ und wurde sodann aus dem Zeugenstand entlassen.

Der einzige und auch nur für den letzten Vorfall als Zeuge in Betracht kommende Nachbar gab bei seiner anschließenden Vernehmung an, öfter Streitigkeiten in der Nachbarwohnung gehört zu haben. Auf dem Gang seien der Angeklagte und die an der Stirn blutende Freundin gestanden. Der angetrunken wirkende Angeklagte habe sie aufgefordert, in die Wohnung zurückzukommen, sie solle nicht lügen. Er habe dem Nachbarn erklärt, dass seine Freundin gestürzt sei. Er sei es nicht gewesen. „Sie hat verwirrt gewirkt. Ich habe zu ihr gesagt, wenn es so ist, dass er sie schlägt, dann soll sie ins Frauenhaus gehen. (Sie) hat schon geweint. Sie sagte nur: „Die Polizei, er schlägt mich“. (Sie) wollte nicht mehr in die Wohnung. Sie saß auf der Treppe bis die Polizei kam und dann wollte sie doch wieder in die Wohnung zurück. Der Angeklagte sagte: „Jetzt hast du es wieder geschafft“.

Die Vorsitzende Richterin begründete den Freispruch damit, dass sich die Geschädigte auf ihr gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht berufen durfte.
„Das Verlöbnis haben die Geschädigte und der Angeklagte im Rahmen der Hauptverhandlung erneuert, nachdem die Geschädigte (...) damit konfrontiert worden war, bei der Polizei angegebenen zu haben, dass ein Verlöbnis nicht bestehen würde und dem Gericht jedoch gegenüber geäußert hatte, dass sie seit ca. vier Jahren mit dem Angeklagten verlobt sei.
Für die angeklagten Taten vom (...) Juli 2018 sind keine Zeugen vorhanden.
Hinsichtlich der Tat vom Mai 2019 wurde zwar der Nachbar des Angeklagten (...) vernommen. Dieser (...) gab zwar an, dass die Geschädigte (...) geäußert habe, vom Angeklagten geschlagen worden zu sein. Auf Nachfrage äußerte der Zeuge jedoch, dass es sich hierbei nach seiner Auffassung um eine Aussage genereller Natur gehandelt habe. Die Zeugin habe auch keine konkreteren Angaben zu einer unmittelbar vorangehenden Körperverletzung gemacht bzw. seien ihm solche nicht mehr erinnerlich.
Aufgrund dessen war der Angeklagte freizusprechen.“


Urteil des Amtsgerichts München vom 02.09.2019, Aktenzeichen 843 Ls 451 Js 173716/18
Das Urteil ist rechtskräftig


Klaus-Peter Jüngst

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