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Amtsgericht München

Amtsgericht München - Gebäude Maxburgstraße

Pressemitteilung 93 vom 25.11.2019

Pflegerdienst

Der Beischlaf gegen Entgelt mit einer ihm anvertrauten schutzlosen Pflegebedürftigen, bringt dem Täter eine Freiheitsstrafe, die angesichts seines frühen Geständnisses zur Bewährung ausgesetzt werden kann

Am 15.10.2019 verurteilte die zuständige Strafrichterin am Amtsgericht München einen 59jährigen Pfleger aus München wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten mit Bewährung und erlegte ihm als Bewährungsauflage die Zahlung von 800 € an eine Frauenhilfeeinrichtung auf.

Der seit über zwanzig Jahren als Pfleger tätige Verurteilte war von einem Pflegedienstanbieter seit Anfang 2017 mit der Versorgung von täglich etwa 30 hilfsbedürftigen Personen betraut. Von Mitte 2017 bis August 2018 war er u.a. mit der täglichen Medikamentengabe und gelegentlicher Hilfe bei der Haushaltsführung bei einer knapp vierzigjährigen verwitweten Philippinin beschäftigt. Diese war von ihrem etliche Jahrzehnte älteren deutschen Ehemann vor 20 Jahren nach Deutschland geholt und wegen einer verfestigten psychischen Krankheit unter umfängliche Betreuung eines Berufsbetreuers gestellt worden.

Im Zeitraum Ende 2017 bis Februar 2018 kam es zwischen dem Verurteilten und der Geschädigten in deren Wohnung mindestens dreimal zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr, wobei der Verurteilte jedes Mal ein Kondom verwendete, keine Gewalt gegen die Geschädigte ausübte und dieser für den Geschlechtsverkehr einen Betrag von je ca. 30 - 50 € übergab.
Die Geschädigte, die sich kaum verständlich machen kann und zur Schilderung des Geschehens u.a. auf Gesten zurückgreifen muss, äußerte sich erstmals über das Erlebte gegenüber einer regelmäßig bei ihr klingelnden Zeugin Jehovas, die sie schließlich auch zur ersten Anzeigenerstattung bei der Polizei begleitete. Es gab Anhalt dafür, dass die Geschädigte das Geschehen als gewaltvoll erlebt haben könnte. Ein Versuch einer aussagepsychologischen Begutachtung endete aber schon damit, dass die Gutachterin bereits eine hinreichende Aussagefähigkeit des Opfers verneinen musste. Damit war zum einen ausgeschlossen, dass dem Verurteilten ohne weitere Angaben der Geschädigten nachgewiesen werden hätte können, deren entgegenstehenden Willen erkannt haben zu müssen. Ebenso wenig konnte aber eine grundsätzliche Einwilligungsfähigkeit der Geschädigten gänzlich ausgeschlossen werden, so dass umgekehrt auch eine Zustimmung der in ihrer Äußerungsfähigkeit beeinträchtigten Geschädigten nicht per se, ohne verwertbare Angaben, auszuschließen war.
Der Verurteilte hingegen räumte bei seiner ersten polizeilichen Vernehmung wie auch vor Gericht die Taten glaubhaft so ein, wie sie dem Urteil zugrunde gelegt wurden. Er habe allerdings nicht gewusst, dass der seines Erachtens einvernehmliche Verkehr unter Strafe stehen würde. Er habe den Pflegedienst gewechselt.
In seinem letzten Wort erklärte er: „So etwas ist das erste Mal passiert. Ich schäme mich wirklich. Das ist passiert. Für mich war das alles normal. Wir haben normal geredet.“

Die Richterin begründete ihr Urteil wie folgt:
„Für den Angeklagten sprach, dass er bisher strafrechtlich nie in Erscheinung trat und sich in einem vermeidbaren Verbotsirrtum befand, da er davon ausging, dass einvernehmlicher Geschlechtsverkehr mit der Geschädigten nicht strafbar sei. Erheblich strafmildernd wertete das Gericht das Geständnis des Angeklagten. Hierdurch war eine Verfolgung der Taten überhaupt erst möglich, da der Geschädigten selbst aufgrund ihrer psychischen Erkrankung nach einem aussagepsychologischen Gutachten nicht mit der erforderlichen Sicherheit hätte geglaubt werden können.
Zu Lasten des Angeklagten berücksichtigte das Gericht, dass die Geschädigte durch die Taten psychisch sehr belastet ist, zumal sie selbst davon ausgeht, dass die sexuellen Handlungen gegen ihren Willen stattgefunden hätten.
Diese Freiheitsstrafe konnte zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Sozialprognose des Angeklagten ist günstig (...). Der Angeklagte lebt in geordneten Verhältnissen und geht einer regelmäßigen Beschäftigung nach. Weiter zeigte er sich geständig und schuldeinsichtig und trat bisher nie strafrechtlich in Erscheinung.“


Urteil des Amtsgerichts München vom 15.10.2019, Aktenzeichen 822 Ds 457 Js 184944/18
Das Urteil wurde sogleich rechtskräftig.


Klaus-Peter Jüngst

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