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Amtsgericht München

Amtsgericht München - Gebäude Maxburgstraße

Projekte

Interdisziplinärer Arbeitskreis



Zuständigkeit:

  • Familienrichter
  • Betreuungsrichter
  • Vertreter der Jugendhilfe
  • Beratungsstellen
  • Verfahrensbeistände
  • Sachverständige und Rechtsanwälte


Der Arbeitskreis, zu dessen im Frühjahr und im Herbst jeden Jahres stattfindenden Veranstaltungen Familienrichter, Betreuungsrichter, Familienanwälte, Jugendamtsmitarbeiter, Beratungsstellen, Verfahrensbeistände und Sachverständige eingeladen werden, besteht seit 1985 beim Familiengericht München.


Interessenten können sich in die E-Mail-Verteilerliste eintragen lassen. Wenden Sie sich hierzu bitte an die

Ansprechpartnerin:

Dr. Rapp-Gazic, LL.M.
Richterin am Amtsgericht
Bis 30.04.2024 abgeordnet an das Oberlandesgericht München
Telefon: 089 / 5597-06
E-Mail: Christiane.Rapp-Gazic@olg-m.bayern.de



Nächste Veranstaltung:

Am 26.02.2024 um 10:00 Uhr auf Zimmer B 808

Weitere Informationen und Downloads

Initiative München


Aufgabe eines rechtlichen Betreuers ist es, die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht.

Zunehmend wird in der Öffentlichkeit die Frage einer angemessenen Medikation bei älteren Menschen kontrovers diskutiert.

Mit der Initiative München möchte das Betreuungsgericht alle Beteiligten bei dieser oft schwierigen Aufgabe im Bereich der Gesundheitsfürsorge unterstützen.

Was ist die Initiative München?

Eine Erhebung der Fachstelle für Qualitätssicherung in der Altenpflege der Stadt München (FQA) hat in den Jahren 2010/11 in 51 Einrichtungen 6394 Bewohnerinnen und Bewohner erfasst und dabei festgestellt, dass ca. 50% der Bewohner Psychopharmaka erhalten, die sedierende (also beruhigende, antriebshemmende) Wirkung oder Nebenwirkung entfalten. Auch Erhebungen aus dem Jahr 2013, die 771 Bewohnerinnen und Bewohner erfassten, sowie Zwischenerhebungen über drei Monate aus dem Jahr 2011, die lediglich die Bedarfsmedikationen untersuchten, ergaben, dass die Zahlen bis jetzt konstant bleiben. Häufige Begründung für den Einsatz dieser Medikamente war: „Weglauftendenz, Schreien, Grübeln, Jammern, Bettflüchtigkeit“, aber auch: „vor dem Angehörigenbesuch“ und „vor dem Duschen“.

Weitere Informationen finden Sie in den Qualitätsberichten der FQA München am Ende der Seite im Abschnitt 'Weitere Informationen und Downloads'.

Die Initiative München, die 2014 vom Amtsgericht München ins Leben gerufen wurde und mit dem MDK Bayern, dem Bayer. Hausärzteverband, den Fachstellen für Qualitätssicherung in der Altenpflege, den Münchner Betreuungsvereinen, den in München tätigen Berufsverbänden der Berufsbetreuer und den Betreuungsbehörden in München zusammenarbeitet, sowie von dem Bayerischen Justizministerium und dem Bayerischen Ministerium für Gesundheit und Pflege unterstützt wird, hat sich zum Ziel gesetzt, alle Professionen, die an der Verordnung von solchen Medikamenten beteiligt sind, in der Frage der freiheitsentziehenden Wirkung, der Genehmigungsbedürftigkeit, der Erforderlichkeit, der alternativen Möglichkeiten zu sensibilisieren und das Thema offen zu diskutieren.

Seit April 2017 intensiviert das Betreuungsgericht München auf der Grundlage von § 1908 i BGB i.V.m. § 1837 Abs. 1 und 2 BGB schwerpunktmäßig die Beratung und Kontrolle von Betreuern mit dem Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge, deren Betreute in einer stationären Einrichtung, einer Wohngemeinschaft o.ä. leben. Diese Betreuer werden nunmehr aufgefordert, dem Gericht mit dem Jahresbericht eine Aufstellung aller Medikamente vorzulegen, die der Betroffene regelmäßig erhält. Das Gericht prüft nach Vorlage des Medikationsplans, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Medikament verabreicht wird, um den Betroffenen in seiner Fortbewegungsfreiheit zu beschränken und weist den Betreuer ggf.  auf die Genehmigungspflicht nach § 1906 Abs. 4 BGB hin. Im Rahmen des anschließenden Genehmigungsverfahrens wird u.a. abgeklärt, ob medizinische oder pflegerische Alternativen zu der sedierenden Medikation bestehen.

Warum beschäftigen wir uns mit diesem Thema?

Die Vergabe von freiheitsentziehend wirkenden Medikamenten ist im Gesetz der Fixierung mit mechanischen Mitteln (Bettgitter, Bauchgurt, Vorsatztisch) zur Freiheitsentziehung oder -beschränkung gleich gestellt.

Die von der FQA München erhobenen Zahlen und Ergebnisse spiegeln sich jedoch in keiner Weise in der richterlichen Genehmigungspraxis des Amtsgerichts wider. Auch wenn freiheitsentziehende Maßnahmen durch mechanische Vorrichtungen, wie Bettgitter, Bauchgurt oder Vorsatztisch Teil der täglichen richterlichen Routine sind, ist die Zahl der Genehmigungsanträge wegen medikamentöser Freiheitsentziehung verschwindend gering. Dies, obwohl die Vorschrift seit 1992 Teil des geltenden Rechts darstellt.

Bei der Einführung des Werdenfelser Wegs in München konnte das Amtsgericht hier schon als Initiator zu sehr positiven Ergebnissen gelangen und eine Senkung der Fixierung vom Jahr 2011 bis Ende des Jahres 2013 von 11% auf unter 5 % erzielen. Dies ist natürlich das Verdienst aller an den Verfahren Beteiligten, vor allem aber der beteiligten Heime.

Daher ist auch in der jetzigen Initiative München das Amtsgericht München bemüht im Rahmen der richterlichen Tätigkeit Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit zu leisten, die Voraussetzung für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Thema Medikamentierung in Alten- und Pflegeheimen ist.

Zu diesem Zweck wurde eine Übersicht über die rechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen (Rechtsgrundlagen) erstellt die Sie am Ende der Seite im Abschnitt 'Weitere Informationen und Downloads' finden.

Sind denn Medikamente nicht nur Sache des Arztes?

Als ehrenamtlicher bzw. Berufsbetreuer oder Bevollmächtigter haben Sie möglicherweise die Angelegenheiten des Betreuten auch hinsichtlich der Gesundheitsfürsorge zu besorgen.

Im Gesetz ist verankert, dass das Gericht über die gesamte Tätigkeit des Betreuers Aufsicht führt. Es setzt fest, dass der Betreuer die Angelegenheiten des Betroffenen so zu erledigen hat, dass sie seinem Wohl entsprechen.

Der Betreuer muss also im Rahmen der Gesundheitsfürsorge über die Medikamentenvergabe aufgeklärt werden und zur Einnahme durch den Betreuten seine Einwilligung erteilen, wenn dieser das rechtswirksam nicht mehr selbst kann.

Selbstverständlich wird der behandelnde Arzt in eigener Verantwortlichkeit die Diagnose erstellen und das geeignete Medikament dafür verordnen. Gerade bei älteren Patienten gilt es jedoch viele Besonderheiten zu beachten.

Zur Medikamentierung bei älteren Patienten gibt es eine Fülle von Literatur, aus der sich auch der Laie umfassend informieren kann und sollte, wenn er seiner Verpflichtung, die Angelegenheiten der Gesundheitsfürsorge gewissenhaft zu erfüllen, nachkommen will.

Informationen hierzu finden Sie am Ende der Seite im Abschnitt 'Weitere Informationen und Downloads'.

Was passiert, wenn ein Antrag bei Gericht gestellt wird?

Das Betreuungsgericht gibt gegebenenfalls ein ärztliches Attest oder Gutachten vom nicht behandelnden Arzt in Auftragund bestellt einen Verfahrenspfleger für den Betroffenen. Darüber hinaus wird die örtliche Betreuungsbehörde von dem Verfahren in Kenntnis gesetzt und kann ihr Fachwissen einbringen.

Bei der Verfahrenspflegerauswahl achtet das Gericht im Besonderem darauf, dass der Verfahrenspfleger fundiertes Fachwissen in pflegerischer Hinsicht und in der Medikamentierung hat, um durch dieses Fachwissen in der Lage zu sein, mögliche Alternativen zur beantragten Vergabe von Medikamenten aufzuzeigen.

Diese Alternativen können dann im Heim, mit dem Einverständnis des verantwortlichen Betreuers getestet werden und eine freiheitsentziehende Medikamentenvergabe vermeiden helfen.

Im Idealfall kann so auf eine Genehmigung durch das Gericht verzichtet und der Antrag zurückgenommen werden.

Sollte eine Medikamentenvergabe dennoch erforderlich sein, erfolgt nach Gutachten des Arztes und Stellungnahme des Verfahrenspflegers eine richterliche Anhörung des Betroffenen (in der Regel vor Ort) und ein Genehmigungsbeschluss, der längstens für zwei Jahre gilt.

Seit Jahren wird in Bezug auf das Thema Medikamentengabe ein verantwortungsbewussterer Umgang mit Senioren in unserer Gesellschaft gefordert. In den vergangenen Jahren haben auch die Ärzte immer nachhaltiger auf die Gefahren von unerwünschten Nebenwirkungen bei der Verschreibung von zu vielen Medikamenten hingewiesen. Das Augenmerk wird hier auch immer mehr auf die Besonderheiten bei der Medikamentierung von älteren Menschen gelegt.

Was sagt die Öffentlichkeit dazu?

Das Amtsgericht München ist das erste große deutsche Gericht, das sich mit dieser Initiative des Themas annimmt und versucht, durch die Bündelung von Fachwissen eine weitere Verbesserung bei der Versorgung hilfsbedürftiger Seniorinnen und Senioren in unserer Stadt zu erreichen. Am 04.04.2017 war die "Initiative München" zudem Schwerpunktthema der Jahrespressekonferenz des Amtsgerichts München.

Pressestimmen finden Sie im Abschnitt 'Weitere Informationen und Downloads'

Weitere Informationen und Downloads