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Amtsgericht München

Amtsgericht München - Gebäude Maxburgstraße

Pressemitteilung 56 vom 18.12.2020

Coronaabstand

Gefühlte Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes führt zur Körperverletzung

Am 24.11.2020 verurteilte der zuständige Strafrichter am Amtsgericht München einen 71jährigen Münchner Rentner wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 70 Euro.
Am 17.03.2020 gegen 16.50 Uhr kam es auf dem Wertstoffhof in München-Langwied zu einem Streit zwischen dem Angeklagten und einem anderen 81jährigen Rentner über die Einhaltung der Corona Abstandsregeln. Im Verlaufe dieses Streits holte nach Überzeugung des Gerichtes der Angeklagte mit seinem noch zum Teil mit Gartenabfällen gefüllten Sack schwungvoll zur Seite aus und traf dadurch den Geschädigten mit dem Sack oder mit Gartenabfällen jedenfalls bedingt vorsätzlich im Gesicht. Der Geschädigte erlitt dadurch Schürfwunden und Schwellungen im Bereich des linken Auges und der linken Backe.

Der Angeklagte bestritt die Tat absichtlich begangen zu haben: „Ich fahre eigentlich in die Arnulfstraße. Nur der Wertstoffhof Langwied hat offen. Ich kannte mich nicht aus. Ich habe gehalten. Der Kläger hat da schon gehupt. Der Kläger ist vorbeigefahren, hat entleert. Ich habe in gebührendem Abstand gewartet. Daraufhin ist der Kläger weg. Ich ging hin, entleerte. Während des Entleerens kam der Kläger, hat sich unten rechts positioniert, in nicht erlaubter Weise. (…) Ich bin ein gefährdeter Mensch, gehöre zur Risikogruppe. Ich bat ihn weg zu gehen. Er stand unter mir. Der Abstand war nicht viel. Ich habe (…) oben rein geleert. Er ging nicht weg. Ich habe nur die Mitarbeiter gerufen. Diese sollten was unternehmen. Er hat das ja abbekommen. Beim Entladen der Gartenabfälle fallen erst mal die schweren Sachen, wie ein bisschen Erde mit Steinen oder Äste, raus. Nein, ich habe ihn natürlich nicht gesehen. (Er, Anm.d.Verf.) stand auf einmal rechts unter mir, während ich meinen Sack entladen habe. Keiner hat mir geholfen. Ich habe noch geschrien, er solle weggehen, da ich hoch gefährdet bin.“

Der Zeuge erklärte: „Ich fuhr zum Wertstoffhof, hatte vier kleinere Säcke Gartenabfälle. Vor mir war der Angeklagte. Der hat plötzlich gebremst, fuhr rückwärts. Die Parksensoren schlugen bei mir an. Ich habe gehupt. Der Angeklagte hat das Fenster runter gedreht. Man sah die Hand. Er hat geschimpft. Ich bin, um dem Ärger zu entgehen, herumgefahren. Ich habe zwei Säcke entladen. Als ich wieder weg ging, hat der Angeklagte mich gesehen, hat mir was zugerufen. Ich wollte keinen Ärger haben. Dann bin ich zum Auto, habe meine anderen Säcke geholt. Der Angeklagte war immer noch da, schüttelte den Sack, als ich wieder beim Container war. Es ist üblich, seitlich rein zu schmeißen. Ich wollte wieder weg gehen, dann hat mich der Angeklagte mit einem Sack attackiert. Der (Mitarbeiter des Werstoffhofes, Anm. d. Verf.) sah das, ging dazwischen, sodass mich der Angeklagte nicht weiter attackieren kann. (…) Ich bin dann nach Hause, war geschockt. Ich hatte noch Steine auf dem Kopf und in der Unterwäsche. Ich hatte eine Verletzung an Auge und Backe. Ich wurde am Auge operiert.“ Auf Frage des Gerichts: „Ich ging auf die rechte Seite des Containers. Der Angeklagte stand über mir. Der Abstand war mindestens 1,50 m. Im Übrigen waren auch die Leute vom Wertstoffhof 2 m weit weg. Die haben auch nichts gesagt.“

Der Mitarbeiter am Wertstoffhof erklärte: „Ich ging zwischen die beiden, damit es nicht eskaliert. (…) Ich weiß ja nicht, was als nächstes passiert, wenn einer dem anderen den Sack über den Kopf schüttet. Die haben ja auch weiter gestritten.“ Eine weitere Zeugin gab an, dass die Kontrahenten „gefühlt nebeneinander“ gestanden seien, als der Angeklagte seinen Sack schwungvoll in Richtung des anderen, der nicht habe warten wollen, geführt hätte. Sie hätte den Schlag mit dem Plastiksack als nicht so schlimm empfunden, es seien nur Krümel herausgeflogen, einen Treffer habe sie nicht mitbekommen.

Der Strafrichter begründete sein Urteil u.a. so:
„Aufgrund der Angaben der neutralen Zeugen geht das Gericht davon aus, dass der Angeklagte sehr erbost darüber war, dass der Geschädigte seiner Auffassung nach die Abstandsregeln nicht einhielt. Deshalb hat er schließlich mit dem Sack ausgeholt und den Geschädigten entweder mit dem Sack oder mit darin befindlichen Gartenabfällen getroffen. Dabei nahm er zumindest billigend in Kauf, dass der Geschädigte dadurch auch verletzt wurde.(…) Der Sack mit Gartenabfällen war dabei allerdings nicht als gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 StGB anzusehen, da aufgrund seiner konkreten Verwendung in diesem Fall nicht mit besonders erheblichen Verletzungen zu rechnen war. (…)
Zugunsten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass er nicht vorbestraft ist. Außerdem ging der Körperverletzung ein Streit über die Einhaltung der Abstandsregeln voraus.“


Urteil des Amtsgerichts München vom 24.11.2020, Aktenzeichen 824 Cs 431 Js 162556/20
Das Urteil ist aufgrund Berufung des Angeklagten nicht rechtskräftig.


Klaus-Peter Jüngst

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