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Amtsgericht München

Amtsgericht München - Gebäude Maxburgstraße

Pressemitteilung 10 vom 12.03.2021

Geht gar nicht

Wirkungsvoller Einsatz anderer Fahrgäste gegen rechtsextremes Randalieren

Am 04.03.2021 verurteilte der zuständige Strafrichter am Amtsgericht München einen 30jährigen arbeitslosen Altenpfleger aus dem Raum Fürstenfeldbruck wegen Volksverhetzung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten.

Am 02.10.2019 gegen 14:10 Uhr fuhr der Angeklagte in alkoholisiertem Zustand in der U-Bahn (U3) Richtung Fürstenried West. Dort äußerte er gegenüber einer nicht näher bekannten Frau, welche mit einer Burka bekleidet war: „da ist eine Bombe drunter". Auf sein Verhalten von einem Fahrgast angesprochen, nannte der Angeklagten diesen „Kanake" und verließ die U-Bahn an der U-Bahnhaltestelle Thalkirchen. Dabei streckte er seinen rechten Arm mindestens einmal zum sogenannten "Hitler-Gruß" aus und rief die Worte "Sieg Heil" oder „Heil Hitler.

Der Angeklagte gestand die Tat: „Ich möchte mich dafür entschuldigen. Zur Tatzeit war ich alkoholisiert. Dieses Verhalten entspricht nicht meinem Charakter. Ich machte 2019 nach der Haftentlassung eine Alkoholtherapie und bin seit langem trocken. Die verlesene Anklage trifft zu. Einige Tage vor dem Vorfall hatte ich einen Alkoholrückfall und war an diesem Tag grundsätzlich schlecht gelaunt. (…) Wenn ich getrunken hatte, war ich grundsätzlich ein grässlicher Mensch, dem ich selbst nicht begegnen möchte. In der U-Bahn fühlte ich mich betrunken und weiß nicht mehr, warum ich mit der U-Bahn fuhr. (…) Vielleicht war ich zur falschen Zeit am falschen Ort. Es tut mir auch leid. Der Hitlergruß war eine Phase in meinem betrunkenen Zustand.“ Er sei an sich ein unpolitischer Mensch.

Die 34jährige Zeugin erklärte: „Wir stiegen an der Poccistraße in die U-Bahn ein: Meine Mutter, meine Kinder und ich. (…) Ich stand an der Haltestange dem Angeklagten gegenüber. Er beschimpfte jemand, der hinter mir saß. Ich hörte noch nie jemanden in der Öffentlichkeit jemand anderen so beschimpfen. (…). Du Kanake, du Türke hörte ich und auch, dass ihm Schläge angedroht wurden. Der Mann saß zusammengesunken auf seinem Platz. Ein älterer Mann sagte, das darf man heutzutage nicht mehr sagen, was mich auch aufregte, denn so etwas darf man überhaupt nicht sagen. Der Angeklagte sagte, der Mann solle zurückgehen. Eine Frau forderte den Angeklagten auf, die U-Bahn zu verlassen. Beim Aussteigen zeigte der Angeklagte den Hitlergruß und sagte „Heil Hitler“. Ich stieg auch aus und kündigte meiner Mutter gegenüber an, dass ich das melden werde. (…). Der Angeklagte ging weiter und ich betätigte mein Handy. Ich hatte einen Säugling auf dem Arm. Den Notruf hatte ich in der Leitung und sagte, ich kann jetzt nicht sprechen. Ich rechnete mit einem blauen Auge und ärgerte mich, dass ich mit meinem Anruf nicht noch ein bisschen gewartet hatte. Der Angeklagte ging Richtung Ausgang. Ich lehnte die Verfolgung des Angeklagten, was mir der Polizeibeamte am Telefon sagte, ab und bemerkte, dass ich geleistet habe, was ich leisten konnte.“

Der ihn nach dem Verlassen der U-Bahn bis zum Eintreffen der Polizei verfolgende Zeuge, ein 58jähriger Pilot, gab an, die Zeugin habe ihn um die Verfolgung des Angeklagten gebeten. Der Angeklagte habe nur leicht alkoholisiert gewirkt.

Der damals herbeigerufene Polizeibeamte erklärte, dass der Angeklagte den Hitlergruß sofort einräumte. Es sei eh nicht schlimm, weil es eh eingestellt würde. 1,34 mg/l, also gut 2,6 Promille, habe die Atemalkoholkontrolle ergeben. Der Angeklagte sei voll orientiert gewesen und habe keinerlei Auffälligkeiten beim Reden, Gehen und Stehen gezeigt.

Der Strafrichter begründete sein Urteil so:
„Zugunsten des Angeklagten konnte sein umfassendes und rückhaltloses Geständnis berücksichtigt werden. Weiter konnte zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, dass er zum Tatzeitpunkt erheblich alkoholisiert war. Zuletzt konnte noch berücksichtigt werden, dass der Vorfall schon einige Zeit zurückliegt. Zu Lasten des Angeklagten musste gesehen werden, dass er bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Hier war insbesondere zu berücksichtigen, dass der Angeklagte im Laufe dreier offener Reststrafenbewährungen gehandelt hat. Weiter musste gesehen werden, dass der Angeklagte durch sein doch intensives Verhalten gleich zwei Straftatbestände gleichzeitig verwirklicht hat. Unter diesen Umständen und insbesondere auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Verwenden des sog. Hitlergrußes in einem stark frequentierten öffentlichen Raum erfolgte, war eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten tat- und schuldangemessen. Aufgrund des krassen dreifachen Bewährungsversagens erschien eine Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 I StGB nicht möglich.“

Urteil des Amtsgerichts München vom 04.03.2021, Aktenzeichen 844 Ds 116 Js 198348/20

Das Urteil ist aufgrund beidseitiger Berufung nicht rechtskräftig

Klaus-Peter Jüngst

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