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Landgericht Bayreuth

Justiz ist für die Menschen da – Recht Sicherheit Vertrauen

Pressemitteilung 8/2022 vom 12. April 2022

Urteilsverkündung im Strafverfahren wegen Totschlags an einem Neugeborenen in Heinersreuth

Die 1. Große Jugendkammer des Landgerichts Bayreuth hat die Angeklagte am 12. April 2022 wegen Totschlags ihres neugeborenen Kindes zu einer Jugendstrafe von 5 Jahren 9 Monaten verurteilt.

Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass die im Tatzeitpunkt 19-jährige Angeklagte, die durch das mehrmonatige Ausbleiben ihrer Monatsblutung, die Gewichtszunahme und durch häufiger werdende Fragen nach einer bestehenden Schwangerschaft aus ihrem gesamten Umfeld von ihrer Schwangerschaft wusste, am Abend des 17. Juli 2021 ein lebensfähiges und nach der Geburt selbstständig atmendes Mädchen, das sie kurz zuvor im Badezimmer der Heinersreuther Wohnung eines Bekannten zur Welt gebracht hatte, getötet hat.

Ihrem Tatplan folgend, das Kind unmittelbar nach der Geburt zu töten und zu entsorgen, um unentdeckt zu bleiben, legte die Angeklagte nach Auffassung der Kammer ihr Kind nach Durchtrennung der Nabelschnur in eine Toilettenpapierplastikverpackung. Auch die Plazenta und das Toilettenpapier, das sie zum Aufwischen des Blutes im Badezimmer benutzt hatte, legte die Angeklagte zu dem Kind in die Plastikverpackung. Anschließend gab sie die Toilettenpapierverpackung in einen blickdichten Müllsack. Das Kind verstarb innerhalb kurzer Zeit durch Ersticken.

Noch in derselben Nacht entsorgte ein Bekannter der Angeklagten, in dessen Wohnung sie einige Tage verbracht hatte und der von den Vorgängen nichts mitbekommen hatte, auf Bitten der Angeklagten den grauen Müllsack mit der darin befindlichen Babyleiche in einer Mülltonne des Anwesens in Heinersreuth.

Nach Einschätzung der Jugendkammer wollte die Angeklagte, die aus einem zerrütteten Elternhaus stammt und unter geringem Selbstwertgefühl und großen Verlustängsten leidet, dass alles so bleibt, wie es ist und dass ihr Leben ohne Kind weitergehen soll, da sie ihre aktuelle Lebenssituation als glücklich empfunden hatte. Deshalb soll sich die nicht vorgeahndete Angeklagte, die in großen Teilen geständig war, nach Überzeugung der Kammer entschlossen haben, Schwangerschaft und Geburt zu verheimlichen.

Im Rahmen des am 25. März 2022 begonnenen aufwändigen, insgesamt 7 Hauptverhandlungstermine umfassenden Strafverfahrens, welches durch die derzeitige Corona-Pandemie geprägt war, wurden insgesamt 19 Zeugen vernommen, zahlreiche Gutachten ausgewertet und insgesamt vier Sachverständige aus den Bereichen Gynäkologie, Forensische Toxikologie, Forensische Psychiatrie und Rechtsmedizin angehört.

Das Urteil im Verfahren mit dem Aktenzeichen 1 KLs 111 Js 7440/21 jug ist rechtskräftig.