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Landgericht Bayreuth

Justiz ist für die Menschen da – Recht Sicherheit Vertrauen

Pressemitteilung 3/2003 vom 23. Januar 2023

Strafverfahren wegen Doppelmordes in Mistelbach – Große Jugendkammer verhängt Jugendstrafen von 13 Jahren 6 Monaten und 9 Jahren 6 Monaten

Die 1. Große Jugendkammer des Landgerichts Bayreuth hat im Strafverfahren wegen Doppelmordes an einem Arztehepaar in Mistelbach am vierzehnten Verhandlungstag den Angeklagten Felix S. wegen Mordes in zwei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Jugendstrafe von 13 Jahren und 6 Monaten und die mitangeklagte Tochter der Getöteten, Hannah S., wegen Mordes in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Jugendstrafe von 9 Jahren und 6 Monaten verurteilt.  

Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass die Angeklagten in der Nacht vom 8. auf den 9. Januar 2022 auf Initiative von Hannah S. deren Eltern, das Arztehepaar Antje S. und Stefan S. aus Mistelbach, gemeinschaftlich in deren Schlafzimmer töteten. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Angeklagte Hannah S. aufgrund eines anlasslosen, übersteigerten Hasses gegen ihre Eltern diese tot sehen wollte und daher ihren damaligen Freund Felix S. über Monate hinweg manipulierte, indem sie sich fälschlich als Opfer einer elterlichen Unterdrückung und körperlicher Übergriffe durch ihren Vater darstellte. Obwohl Felix S. bereits seit November 2021 zunächst temporär und ab Dezember 2021 dauerhaft im Einfamilienhaus der Familie S. gelebt und selbst nie entsprechende eigene Wahrnehmungen gemacht hatte, glaubte er die fortlaufenden Behauptungen von Hannah S. über ihre angeblich schreckliche Behandlung durch die Eltern bis zuletzt. Nachdem beide Angeklagte noch mit der Familie von Hannah S. einen gemeinsamen Fernsehabend verbracht hatten, fassten sie in den späten Abendstunden des 8. Januar 2022 auf Initiative von Hannah S. den gemeinsamen Entschluss, Antje und Stefan S. zu töten. Hannah S. reichte Felix S. Hilfsmittel zur Tatausführung und bestärkte diesen zudem verbal in dessen Entschluss zur Tatbegehung. Sodann begab sich Felix S. am 9. Januar 2022 gegen 00:30 Uhr in Ausführung des gemeinsamen Tatplanes in dunkler Kleidung im Schutz der Dunkelheit in das im Untergeschoss des Anwesens gelegene Schlafzimmer von Antje und Stefan S., vergewisserte sich, dass beide schliefen und stach sodann mit einer Vielzahl an Stichen zunächst auf Stefan S. und anschließend wiederum mit einer Vielzahl an Stichen auf die immer noch schlafende Antje S. ein. Währenddessen sicherte Hannah S. die unmittelbare Tatausführung ab, insbesondere indem sie ihren durch Schreie der Mutter aufgewachten vierzehnjährigen Bruder daran hinderte, den Eltern zur Hilfe zu eilen. Im Anschluss an die Tatausführung versuchte Felix S., die Tat als Ergebnis eines Einbruchs erscheinen zu lassen. Sodann unterbanden die Angeklagten gemeinsam mehrere Versuche zweier jüngerer Geschwister von Hannah S., den Notruf zu alarmieren. Hinsichtlich beider Angeklagter sah die Jugendkammer das Mordmerkmal der Heimtücke als erwiesen an, bei Hannah S. bejahte sie wegen des Tatmotivs Hass darüber hinaus auch das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe. 
 
Während Felix S. seine eigene Tatbeteiligung von Anfang an einräumte und ab einem späteren Zeitpunkt auch Hannah S. belastete, bestritt diese ihre Tatbeteiligung bis zuletzt. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme, in der neben vier Sachverständigen insgesamt 33 Zeuginnen und Zeugen vernommen wurden, darunter auch zwei minderjährige Geschwister von Hannah S., ist die Große Jugendkammer gleichwohl davon überzeugt, dass auch Hannah S. die Tat als Mittäterin begangen hat. Insbesondere konnte die Kammer eine Falschbezichtigung durch Felix S. ausschließen. 

Die Jugendkammer ist davon überzeugt, dass beide Angeklagte ein besonders hohes Maß an Schuld auf sich geladen haben. Hinsichtlich des Angeklagten Felix S., der die Tat als Heranwachsender begangen hat, hat die Kammer auf die Anwendung von Jugendrecht entschieden. Wegen der besonderen Schwere der Schuld hat sie allerdings von der seit 2012 gesetzlich bei Heranwachsenden bestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, über das grundsätzliche Höchstmaß von 10 Jahren Jugendstrafe hinauszugehen und der Verurteilung einen Strafrahmen von bis zu 15 Jahren Jugendstrafe zu Grunde zu legen (§ 105 Abs. 3 Satz 2 JGG). Bei der Jugendlichen Hannah S. betrug das Höchstmaß der Jugendstrafe demgegenüber 10 Jahre. 

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.