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Amtsgericht München

Amtsgericht München - Gebäude Maxburgstraße

Pressemitteilung 79 vom 01.10.2018

Nachstellungen nach Zwangsheirat

Der vorgebliche Wunsch des getrennt lebenden Vaters seine Kinder trotz gerichtlichen Kontaktverbots sehen zu wollen, bringt eine erhöhte Geldstrafe ein.

Am 01.08.2018 verurteilte die zuständige Strafrichterin am Amtsgericht München einen 25-jährigen Asylbewerber wegen zweifachen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 10,00 Euro.

Am 28.08.2017 gegen 15.00 Uhr näherte sich der Verurteilte der Wohnung seiner getrennt lebenden Ehefrau auf etwa 10 Meter, am 23.10.2017 passte er sie auf dem Heimweg vom Kindergarten ab und folgte ihr und den gemeinsamen 5 und 2 Jahre alten Kindern bis ins Treppenhaus ihrer Wohnung, obwohl er wusste dass ihm dies nach einem Gerichtsbeschluss auf Grundlage des Gewaltschutzgesetzes untersagt worden war. Beim zweiten Vorfall hielt er sie am Arm fest und schrie sie an, während beide Kinder weinten.

Der Verurteilte bestritt, seine Frau jemals geschlagen zu haben. Er habe 15.000,00 € dafür bezahlt, dass seine Frau mit den Kindern im Februar 2017 nach Deutschland zu ihrer hier lebenden Mutter habe ausreisen können, mit der sie als fünfjähriges Kind bereits nach Deutschland geflüchtet sei. Seine Frau habe ihm vor ihrer Abreise vorgetäuscht, ihn bald nachholen zu wollen. In den Irak könne er nicht zurück. Seine Familie werde ihm vorwerfen, er kehre mit nur 25,00 € zurück, obwohl er so lange gearbeitet habe. Die Mutter seiner Frau lehne ihn seit jeher ab. Ohne deren Einfluss würde seine Frau zu ihm zurückkehren. Er habe nur seine Kinder sehen wollen. Er sei Hirte, habe bei den kurdischen Peschmerga gekämpft.

Die getrennt lebende Ehefrau des Verurteilten erklärte, während eines Besuchs 2012 von ihrem im Irak lebenden Vater zum Bleiben überredet und nachfolgend im Februar 2013 zur Hochzeit mit dem Verurteilten bestimmt worden zu sein. Sie sei auf dem vom Onkel verfälschten Papier knapp 18, tatsächlich aber noch 15 Jahre alt gewesen. Der Verurteilte habe sie durchgängig geschlagen, betrogen und auch vergewaltigt. Als sie es nicht mehr ausgehalten habe, habe ihre Mutter ihr dann das Visum besorgt. Der Verurteilte habe ihr früher schon für den Fall der Trennung mit dem Tode gedroht. Ihre Mutter lasse ihr alle Freiheit. Aber von ihrem Vater und ihrem Onkel sei sie wie eine Sklavin behandelt worden. 
Ihr sei nun durch das Familiengericht nach Sachverständigenbegutachtung und Anhörung des älteren Kindes das Sorgerecht für beide Kinder übertragen worden. Dem Verurteilten war zuvor begleiteter Umgang eingeräumt worden.

Der als Zeuge vernommene Vater eines anderen Kindergartenkindes schilderte den zweiten Vorfall so wie dann dem Urteil zugrunde gelegt. Er habe sich dazwischen gestellt, bis der Verurteilte gegangen sei. Eine Nachbarin bestätigte in ihrer Aussage vor Gericht die von ihr beobachtete Verängstigung der Ehefrau.

Das Gericht wies darauf hin, dass die ihm im Irak vorgeworfenen Taten in Deutschland wegen fehlender internationaler Zuständigkeit nicht strafrechtlich verfolgt werden können.

Die Strafrichterin begründete ihr Urteil zunächst damit, dass der Verurteilte bei freilich noch kurzem Aufenthalt bislang in Deutschland nicht vorbestraft sei. „Darüber hinaus nahm der Angeklagte seit dem 23.10.2017 keinen direkten persönlichen Kontakt mehr zu der Geschädigten auf. Schließlich ist nachvollziehbar, dass er seine Kinder sehen wollte und im (zweiten) Fall (…) zudem Geschenke bringen wollte. Zudem hatte er kurz zuvor seinen Ausweisungsbescheid erhalten und befürchtete die Kinder vorerst nicht wiedersehen zu können.  
Zu Lasten des Angeklagten war jedoch zu berücksichtigen, dass er - wovon das Gericht auch aufgrund der überaus glaubhaften Aussage der Zeugin (…) ausgeht - diese mit 15 Jahren im Irak im Rahmen einer Zwangshochzeit heiratete und in den folgenden Jahren sie und später auch die Tochter körperlich misshandelte. Die Tochter befindet sich mittlerweile in einer psychotherapeutischen Behandlung. Beide sind erheblich traumatisiert und insbesondere die Geschädigte leidet unter starker Angst vor dem Angeklagten. Sie lässt die Kinder nicht alleine im Hof spielen, weil sie Angst vor einer Kindesentführung hat. Sie vergewissert sich auf Schritt und Tritt, dass der Angeklagte nicht in der Nähe ist. Zudem leidet sie unter Schlafstörungen.
Im (zweiten) Fall (…) versuchte der Angeklagte zudem seinen Sohn aus dem Kinderwagen zu reißen, so dass die Geschädigte in dieser Situation konkrete Angst vor einer Entführung der Kinder hatte.“

Urteil des Amtsgerichts München vom 01.08.2018, Aktenzeichen 812 Ds 259 Js 132417/17

Das Urteil ist rechtskräftig.


Klaus-Peter Jüngst

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