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Amtsgericht München

Amtsgericht München - Gebäude Maxburgstraße

Pressemitteilung 35 vom 06.05.2019

Antikontrollfreak!

Die Unlust sich widerstandslos polizeilichen Kontrollen zu unterziehen führt hier u. a. zu vierwöchigem Freiheitsentzug

Am 20.02.2019 verurteilte das zuständige Jugendschöffengericht am Amtsgericht München einen 21-jährigen ledigen Arbeitslosen aus München wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zugleich mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte und Beleidigung zur Teilnahme an einem Antiaggressionstraining, zehn Drogenberatungsgesprächen, einer zwölfmonatigen Betreuung durch einen Sozialpädagogen und einem vierwöchigen Jugendarrest.

Am 05.06.2018 gegen 00:25 Uhr sollte der Verurteilte im Bereich der Hanauer Straße in München polizeilich kontrolliert werden, als er mit einem Fahrrad ohne Beleuchtung fuhr. Als die Polizisten ihren Streifenwagen auf dem Radweg anhielten, wollte der Verurteilte entkommen, stieß aber aufgrund seines vorangegangenen Marihuanakonsums - unter Verursachung eines Sachschadens in Höhe von 2000 Euro - gegen den Streifenwagen und stürzte. Als er flüchten wollte, wurde er vom verfolgenden Beamten zunächst gestellt und zu Boden gebracht. Sein ihn begleitender jüngerer Bruder zog den Beamten von ihm weg, so dass er wieder fliehen konnte. Nun verfolgte ihn die Beamtin, die ihn an der Schulter zu fassen bekam. Der Verurteilte schüttelte sie ab und wurde erst zusammen mit dem wieder aufholenden Beamten unter Einsatz von Pfefferspray überwältigt.

Am 25.08.2018 gegen 2.30 Uhr pöbelte der diesmal erheblich alkoholisierte Verurteilte an derselben Örtlichkeit zwei andere Polizisten an, als sie eine Gruppe von randalierenden Jugendlichen kontrollierten und beleidigte die daraufhin zur Unterstützung gerufenen weiteren vier Beamten u. a. mit den Worten „Ihr Hurensöhne, scheiß Bullen, ihr Schwuchtl.“

Der ersterwähnte Beamte sagte in der Verhandlung nach dem reuigen Geständnis des Verurteilten, der zudem einräumte, auch am Vorabend zum besseren Einschlafen Marihuana geraucht zu haben: „Wir sind gerade auf dem Radweg stehengeblieben. Da ist mir aufgefallen, dass er komisch fährt. Es waren locker 15 Meter. Er ist ungebremst und hinten rein in unseren Kotflügel. Als wäre er paralysiert. Er ist mit Vollgas in den Kotflügel, dann gestürzt und weitergelaufen. Er hätte definitiv locker stehen bleiben können.“ Auf Frage der Richterin: „Genau, ohne Reaktion: Mir kam es vor, als wäre sein Hirn eingeschlafen.“

Die Vorsitzende Richterin begründete das Urteil damit, dass der Verurteilte vollumfänglich geständig war und sich bei den als Zeugen erschienen Beamten jeweils entschuldigt hatte. Eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit sei angesichts fehlender Ausfallerscheinungen von der hierzu gehörten Sachverständigen ausgeschlossen worden. Die Anwendung des Jugendrechts sei hier auf den schon mehrfach mit bis zu einer Woche Jugendarrest Vorbestraften geboten, da eine dauerhafte Erkrankung des Vaters zum Zusammenbruch der Familienstruktur geführt habe und der Verurteilte bei nunmehr massivem Drogenkonsum trotz eines qualifizierenden Hauptschulabschlusses bisher nicht in der Lage war sich für eine Arbeitsstelle oder für eine Ausbildungsstelle zu entscheiden, so dass behebbare Reifeverzögerungen nicht auszuschließen seien.
Dem Verurteilten, gegen den jetzt noch keine Jugendstrafe verhängt werden müsse, solle aber klar sein „... dass bei weiteren vergleichbaren Vorfällen das Vorliegen schädlicher Neigungen (Anm. d. Verf: als notwendige Voraussetzung einer Jugendstrafe) erneut zu prüfen sein wird und dabei auch die Auswirkungen der aktuell verhängten Arreste eine entscheidende Rolle spielen wird.“

Urteil des Amtsgerichts München vom 20.02.2019, Aktenzeichen 1013 Ls 461 Js 172207/18 jug
Das Urteil ist rechtskräftig.

Klaus-Peter Jüngst

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