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Amtsgericht München

Amtsgericht München - Gebäude Maxburgstraße

Pressemitteilung 54 vom 08.07.2019

Opfersicht

Opfer empfindet Verurteilung von zwei sechzehnjährigen Randalierer als Skandal

Am 13.06.2019 verurteilte die zuständige Richterin am Jugendgericht des Amtsgerichts München zwei bei Tatbegehung 16jährige Münchner Schüler wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung zur Mitwirkung an einem Täter-Opfer-Ausgleich zu Art und Umfang der Schadenswiedergutmachung, zur Teilnahme am Vortrag „Folgen von Gewalt“ beim Stadtjugendamt München sowie an einem sozialen Trainingswochenende.

Am 15.04.2018 sprangen die mit etwa einem Promille alkoholisierten Verurteilten gegen 1.30h auf Motorhaube und Fahrzeugdach des in München-Nymphenburg geparkten BMW des Geschädigten, was zu einem Schaden in Höhe von 8.302,90 EUR führte. Aufgrund des dabei verursachten Lärms erwachte der Geschädigte, der sofort auf die Straße lief, wo er den zweiten der bereits flüchtenden Verurteilten zu fassen bekam. Als dieser den ersten Verurteilten zu Hilfe rief, kam jener zurück und versetzte dem Geschädigten einen wuchtigen Faustschlag gegen die rechte Schläfe, wodurch eine stark blutende Platzwunde entstand. Der Geschädigte taumelte, bekam nun den angreifenden ersten Verurteilten zu fassen und brachte ihn zu Boden. Daraufhin trat der zweite Verurteilte gegen seinen Oberkörper, wodurch der Geschädigte zur Seite kippte und vom ersten Verurteilten ablassen musste. Er bekam jedoch erneut den zweiten Verurteilten zu fassen und brachte nun ihn zu Boden. Um seinen Freund zu befreien, trat der erste Verurteilte daraufhin mit dem Fuß kraftvoll gegen den Kopf des Geschädigten, so dass dieser den zweiten Verurteilten loslassen musste, um sich zu schützen. Im Anschluss traten beide Verurteilte mehrfach auf den Körper des Geschädigten ein, wodurch er Schürfwunden und Prellungen am ganzen Körper erlitt.
Die Verurteilten wurden von einer vorbeifahrenden Polizeistreife festgenommen. In der Folge bezichtigten beide Verurteilte den Geschädigten, zuerst sie angegriffen zu haben, was erst nach Vernehmung eines unbeteiligten Zeugen widerlegt werden konnte.

Dem anwaltlich vertretenen Geschädigten war wenige Tage vor und noch einmal in der Verhandlung selbst von den Verteidigern ein Schmerzensgeld von 2.000 EUR nebst fast vollem Schadensersatz angeboten worden, was er nicht sofort unterzeichnen wollte.
Nur die Entschuldigung des ersten Verurteilten hielt er für überzeugend.

Die Richterin begründete ihr Urteil, dem gleichlautende Anträge der Jugendgerichtshilfe vom Münchner Jugendamt, der Staatsanwältin und der Verteidiger zugrunde lagen, damit, „...dass sie den Sachverhalt vollumfänglich eingeräumt haben und das Geständnis sichtlich von Reue geprägt war. Beide Angeklagten entschuldigten sich beim Geschädigten (...) in der Sitzung. Darüber hinaus versuchten beide Angeklagte unterstützt durch ihre Eltern und ihre Anwälte an einem Täter-Opfer-Ausgleich zugunsten des Geschädigten (...) mitzuwirken. Schließlich konnte berücksichtigt werden, dass beide bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sind. Zulasten musste berücksichtigt werden, dass der Zeuge (...) nicht unerheblich verletzt wurde und der Sachschaden nicht geringfügig war.“
Von daher „... waren diese anzuweisen am Täter-Opfer-Ausgleich mitzuwirken. So soll sichergestellt werden, dass der Täter-Opfer-Ausgleich (fachlich begleitete Form von Schadenswiedergutmachungsverhandlungen ganz nach Wunsch des Geschädigten unter mittelbarer oder unmittelbarer Beteiligung der Verurteilten) so wie geplant auch stattfinden wird. Durch die Teilnahme am Vortrag über „Folgen von Gewalt“ (wirksamstes Kernstück des großen Antiaggressionskurses des Jugendamtes unter Einsatz durchaus auch drastischer Fotos exemplarischer Verletzungsfolgen) soll den Angeklagten nochmals eindringlich vor Augen geführt werden, welche schwerwiegenden Verletzungen durch rohe Gewalt entstehen können. Durch die Teilnahme am pädagogischen Wochenende beim Verein für Jugend- und Familienhilfen (pädagogisch betreutes Gruppenwochenende mit individueller und gruppenbezogener Auseinandersetzung mit den jeweiligen Straftaten der Gruppenmitglieder) soll einerseits eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit erreicht werden andererseits sollen durch die Teilnahme an dem Wochenende die Angeklagten die nötige Kompetenz erlangen, sich künftig in Stresssituationen korrekt zu verhalten.“

Die vom Geschädigten favorisierten Arbeitsstunden hingegen hätten keinerlei direkte Auseinandersetzung mit der bereits vierzehn Monate und damit im jugendlichen Erleben meilenweit zurückliegenden Tat beinhaltet. Auch er war übrigens der Meinung, dass es sich um eine Ausnahmetat der vor und nach Tatbegehung nicht anderweitig strafrechtlich in Erscheinung getretenen Verurteilten handelt.

Urteil des Amtsgerichts München vom 13.06.2019, Aktenzeichen 1035 Ds 470 Js 208573/18

Das Urteil wurde aufgrund allseitigen Rechtsmittelverzichts sofort rechtskräftig.



Klaus-Peter Jüngst

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