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Landgericht Ingolstadt

Justiz ist für die Menschen da – Recht Sicherheit Vertrauen

Aktuelles Archiv

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30 Jahre Landgericht und Staatsanwaltschaft Ingolstadt: einst und heute

Es war ein Jahrhundertereignis, als am 01. März 1988 das Landgericht Ingolstadt seine Tätigkeit auf der Schanz aufnahm. Seit 1879 – vom Sonderfall Coburg abgesehen – war in Bayern und auch auf dem Gebiet der damaligen Bundesrepublik Deutschland kein neues Landgericht errichtet worden.

Am 04.03.1988 wurde das Landgericht unter seinem Gründungspräsidenten Wilfried Hüttl in einem Festakt feierlich eingeweiht. In ihrer Ansprache formulierte die damalige Bayerische Justizministerin Berghofer-Weichner den Wunsch nach einer „bürgerfreundlichen Justiz“, einer „verständlichen Sprache“ und der „Übersichtlichkeit und Durchschaubarkeit rechtlicher Vorgänge“. Der Dienst am Menschen wurde zum Leitgedanken der Bayerischen Justiz („Justiz ist für die Menschen da“) und mit dieser Zielsetzung wird seit 30 Jahren am Landgericht Ingolstadt Recht gesprochen: Im Namen des Volkes, nicht um des Urteilens willen, sondern transparent, nachvollziehbar und zur Gewährleistung eines friedlichen Miteinanders der Bürger des Freistaates Bayern.

Auch räumlich gesehen schaffte das neue Gericht mehr Bürgernähe, ersparte es den Ingolstädter Bürgern doch die bis dahin notwendige Fahrt nach Augsburg oder München. Zuvor herrschte in der Region 10 keineswegs ein rechtsfreier Raum. Die Amtsgerichte Ingolstadt, Neuburg und Pfaffenhofen (und die Staatsanwaltschaft München II) sorgten für Recht und Ordnung, allerdings in dem gesetzlich beschränkten Umfang: die Kläger, die mehr als 5.000 DM begehrten, mussten nach München oder Augsburg reisen; Delinquenten, denen mehr als vier Jahre Freiheitsstrafe drohten, wurden ebendort angeklagt.

Das Landgericht mit seinen damals 39 Mitarbeitern, davon neun Richter und neun Bewährungshelfer, gewährleistete von Anfang an eine bürgernahe Justizversorgung. Elf Spruchkörper, dies waren vier Zivilkammern, eine Kammer für Handelssachen und sechs Strafkammern, dienten der Rechtspflege und sorgten für Rechtssicherheit in der Region. Ende 1989 hatte das Landgericht Ingolstadt seine damals geplante Sollstärke von 66 Mitarbeitern, davon 17 Richtern, erreicht. Galt dies zum Nutzen von vormals 350.000 Einwohnern, ist die Justiz im Landgerichtsbezirk heute für ca. 480.000 Menschen da. Die Kernaufgaben sind gleichgeblieben, es werden Urteile gefällt, Konflikte gelöst, Schuld und Strafe ausgesprochen, Rechtsprechung der Untergerichte auf den Prüfstand gestellt, juristischer Nachwuchs ausgebildet und vieles mehr.

Das erste am Landgericht Ingolstadt verhandelte Verfahren mit dem Aktenzeichen 1/88 führte am 11.04.1988 die 3. Zivilkammer unter ihrem damaligen Vorsitzenden Richter Richard Steinbichler und den Beisitzern Herbert Krammer, dem späteren langjährigen Direktor des Amtsgerichts Ingolstadt, und Sibylle Dworazik, der heutigen Präsidentin des Landgerichts. Eine Ingolstädter Baufirma hatte Klage gegen vier Jugendliche erhoben, die in der Nacht zum 05.07.1987 einen Kiesbagger beschädigt hatten. Das Verfahren endete zunächst durch Versäumnisurteil, weil die Jugendlichen entgegen der Verfahrensordnung vor dem Landgericht ohne Rechtsanwalt erschienen waren und kurz darauf nach einem Einspruch der Jugendlichen durch Vergleich.

Mit einem ungewöhnlichen Raubüberfall nahm die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Ingolstadt am 15.05.1988 unter dem Vorsitzenden Richter Nikolaus Schretter die Arbeit auf. Ein 36 Jahre alter Zahntechniker und seine zehn Jahre jüngere Schwägerin hatten am 15.01.1987 versucht, den Geschäftsführer eines Ingolstädter Einkaufszentrums mit vorgehaltenen (Gas-)Revolvern zum Öffnen des Geldtresors zu zwingen. Weil sich der Geschäftsführer unbemerkt des Tresorschlüssels entledigen konnte, mussten die Täter ohne Beute fliehen – erfolglos: Sie wurden an dem von ihnen bereitgestellten Fluchtauto von der Polizei empfangen, weil sie ihr Fahrzeug auf einem fremden Privatgrundstück geparkt hatten und der Grundstückseigentümer deshalb die Polizei gerufen hatte.

Viele von der Öffentlichkeit wahrgenommene Strafverfahren folgten, wie etwa der Doppelmord an zwei tschechischen Anhalterinnen (1993), der Fall des Landwirts Rudolf R. (2001), der „Fleischwolf-Mord“ von Friedrichshofen (2005), die Geiselnahme im Ingolstädter Rathaus (2013) sowie die Mordverfahren „Franziska“ (2014) und „Anastasia“ (2015).

Etwa 60.000 Zivilverfahren mit Streitwerten bis zu 45 Millionen Euro wurden in 30 Jahren am Landgericht Ingolstadt in erster und zweiter Instanz geführt. Thematisch befasst sich das Landgericht beispielsweise mit Schadensersatz nach Verkehrsunfällen, vertraglichen Ansprüchen aus Kauf-, Werk- oder Mietverträgen, handels- und gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten, erbrechtlichen Auseinandersetzungen, Schadensersatz nach Amtspflichtverletzungen oder nach ärztlicher Heilbehandlung, Betreuungsverfahren oder Zwangsvollstreckung. Immer wieder gab es auch ungewöhnliche Fälle, wie zuletzt die Prozesse um die Mopsdamen „Emma“ und „Ronja“, den zerbrochenen bayerischen Wirtshausstuhl oder die Eigentumsverhältnisse an einem Tafelbild, welches Leonardo da Vinci zugeschrieben wird.

Seit 2008 besteht am Landgericht die Möglichkeit der Streitbeilegung durch eine gerichtliche Mediation. Unter Moderation eines Güterichters erarbeiten die Parteien an einem runden Tisch eigenständig eine an ihren Interessen orientierte Lösung ihres Konflikts. Die Vorteile des Verfahrens liegen in der kostengünstigen, eigenverantwortlichen, schnellen und umfassenden Streitbeilegung. Die gerichtliche Mediation ist ein Erfolgsmodell: Die Parteien beenden 90 % aller Verfahren mit einer konfliktlösenden gütlichen Einigung.

Eine Aufgabenerweiterung ergab sich im Jahr 2017 für das Amts- und auch das Landgericht Ingolstadt durch die Umgestaltung der Justizvollzugsanstalt Eichstätt zur zentralen Abschiebehafteinrichtung in Bayern. Seitdem ist das Landgericht auch für Beschwerden in Abschiebehaftverfahren zuständig.

Mit der Gründung des Landgerichts siedelte auch die Bewährungshilfe nach Ingolstadt über. Zuvor war diese beim Landgericht München II eingebunden. In Ihren Anfängen betreute ein hauptamtlicher Bewährungshelfer insgesamt 28 Probanden in den Bereichen Ingolstadt, Pfaffenhofen, Neuburg, Geisenfeld, Dachau und Fürstenfeldbruck. Heute gibt es 13 Bewährungshelfer für die Region 10 von denen jeder rund 70 Probanden betreut. Als zusätzliche Aufgabe kam für die Bewährungshelfer noch die Betreuung von Führungsaufsichtsprobanden hinzu. Ansonsten hat sich viel getan: Qualitätsstandards wurden entwickelt und fortgeschrieben und Programme für Gruppenarbeiten erstellt. Mit präventiver Projektarbeit an Schulen geht die Bewährungshilfe auf Jugendliche zu, um sie über Straffälligkeit zu informieren und sie bestenfalls davon abzuhalten. Im Rahmen von Bewährungsauflagen werden für verurteilte Straftäter Anti-Gewalt-Trainings ausgeführt.

„Justiz ist für die Menschen da“ - der Leitgedanke der bayerischen Justiz – findet auch in der Bewährungshilfe täglich seine Umsetzung. Bewährungshelfer bieten direkte Hilfe für Haftentlassene und für zur Bewährung verurteilte Straffällige und unterstützen diese bei der Resozialisierung. Probanden erhalten Hilfe bei der Arbeitssuche, bei Behördengängen, bei Fragen zum täglichen Leben und bei der Aufarbeitung der Straftaten. Durch die Integration von Straffälligen in ein geregeltes Leben profitiert neben dem Probanden vor allem auch die Gesellschaft.

Die Menge der Verfahren, ihre steigende Komplexität und Differenziertheit führte zu einer Personalmehrung auf 85 Mitarbeiter bei allen Berufsbildern der Justiz. Die Sicherheitsanforderungen für Mitarbeiter und Besucher erhöhten den Bestand der Wachtmeister, insbesondere um weibliche Kräfte. Heute befassen sich 21 Richter (davon vier Teilzeitkolleginnen) mit ca. 2000 Zivilstreitigkeiten und 500 Strafverfahren pro Jahr. Hierbei wird richterliches Fachwissen in Spezialkammern für Arztrecht, Baurecht, Versicherungsrecht, Bank- und Finanzgeschäfte und Handelsrecht gebündelt. Jeder Arbeitsplatz ist digital ausgestattet, die Büromöbel ergonomisch passend ausgewählt, die Büro- und Sitzungssäle zeitgemäß ausgestattet. Die Justiz ist in allen Laufbahnen weiblicher geworden, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist durch vielseitige Teilzeitmodelle selbstverständlich (auch für Männer), führt jedoch zu erheblichen Raumproblemen.

In dem Gebäude auf der Schanz 37 wurden mit Umbaumaßnahmen die letzten Möglichkeiten für Büroräume geschaffen, nunmehr hat keine Maus mehr Platz. Apropos Maus: war in den frühen Jahren hin und wieder ein lebendes Exemplar in der Bibliothek des Landgerichts anzutreffen, ist nun beides verschwunden. Die Bibliothek wurde aufgelöst, da der Richter von heute in juristischen Datenbanken seine Recherche betreibt, und Mäuse gehören nur noch zur Ausstattung eines jeden PC-Arbeitsplatzes.

Die digitale Entwicklung wird in absehbarer Zeit die elektronische Akte auch ans Landgericht Ingolstadt bringen. Bei aller Technologie und künstlicher Intelligenz wird der menschliche Richter, der den Menschen zuhört, ihre Argumente abwägt, ihre ganz persönlichen Sorgen und Nöte wahrnimmt und sie in die zu treffende Entscheidung einbezieht, nie ersetzbar sein.

Keine phantastische Vision, sondern ein realitätsbewusster Blick in die Zukunft führt zu dem Plan für einen Erweiterungsbau oder gar für einen Neubau als ein Justizzentrum, das auch der Staatsanwaltschaft und dem Amtsgericht Ingolstadt ausreichend Raum bietet.

Die Stadt Ingolstadt und die gesamte Region 10 boomen. Die Justiz wird mitwachsen müssen: Effektiver Rechtsschutz ist ein entscheidender Standortfaktor für die gesamte Region. Das Landgericht und seine Mitarbeiter stehen hierfür ein.

30 Jahre Staatsanwaltschaft Ingolstadt

Der 1. März 1988 war nicht nur die Geburtsstunde des neu errichteten Landgerichts Ingolstadt. Da nach dem Gerichtsverfassungsgesetz bei jedem Landgericht auch eine Staatsanwaltschaft bestehen soll, stellt dieses Datum gleichzeitig auch den Beginn einer neuen Ära der Strafverfolgung in der Region 10 dar. Zuvor seit 1950 lediglich Zweigstelle der Staatsanwaltschaft München II nahmen nunmehr 13 Staatsanwälte, 4 Strafvollstreckungsrechtspfleger sowie die beiden neu bestellten Geschäfts- und Behördenleiter – unterstützt durch die erfahrenen Beamten und Mitarbeiter der Geschäftsstellen und Schreibkanzleien der bisherigen Zweigstelle - die Arbeit als eigenständige Einheit auf. Ihr Zuständigkeitsbereich erstreckte sich neben der Stadt Ingolstadt auf die Landkreise Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen und Pfaffenhofen. Dabei war es vor allem auch der Stolz aller Beteiligten, nunmehr Teil einer eigenständigen Behörde zu sein, der Ansporn bot, die neuen organisatorischen Herausforderungen bestmöglich zu meistern. Erste Anzeichen für diesen Neubeginn gab es bereits 1984, als die damalige Zweigstelle der Staatsanwaltschaft München II aus Platzmangel aus den Räumen des Amtsgerichts im Kaisheimer Haus in der Harderstraße in ihr neues Domizil in den ehemaligen Büroräumen des Landratsamtes Eichstätt Auf der Schanz umzog.

In den letzten dreißig Jahren hat sich die Kernaufgabe der Staatsanwaltschaft, die uns die Strafprozessordnung vorgibt,  grundsätzlich nicht geändert: Die Ermittlung strafrechtlich relevanter Sachverhalte, die Feststellung, ob strafbares Verhalten vorliegt und – falls die Staatsanwaltschaft nicht in eigener Zuständigkeit über den Abschluss des Verfahrens entscheiden kann - die Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung. Aber neben den ständig steigenden Bevölkerungs- und Fallzahlen (1989 lag die Zahl der Ermittlungsverfahren gegen namentlich bekannte Tatverdächtige bei unter 13.000, 2017 waren es hingegen knapp 20.000 neue Verfahren gegen rund 21.400 Beschuldigte) stellt auch die in hohem Tempo fortschreitende Digitalisierung unserer Gesellschaft und die immer stärker verdeckt und international agierenden Täterstrukturen die Staatsanwaltschaft nicht nur vor erhebliche Herausforderungen bei der Aufklärung von Straftaten. Auch innerhalb der Verwaltung sind, gerade aufgrund der angespannten Personalsituation, die Arbeitsabläufe ständig zu optimieren und dabei immer wieder auftauchende Schwierigkeiten zu meistern.  Schließlich ist auch immer mehr auf die stetig gestiegenen Anforderungen des Datenschutzes, der Ausdehnung der Rechte der Beschuldigten und Geschädigten im Strafverfahren und die Kanalisierung der digitalen Informationsflut im Arbeitsalltag einer Staatsanwaltschaft Rücksicht zu nehmen.

Was ebenfalls nicht vergessen werden darf: Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt leistet seit 30 Jahren einen erheblichen Anteil an der praktischen Ausbildung des Justiznachwuchses. Dies gilt für Referendarinnen und Referendare, die häufig im Rahmen ihrer Ausbildung erstmals bei der Staatsanwaltschaft lernen, eigenverantwortlich vor den Amtsgerichten der Region im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienstes aufzutreten,  genauso wie für die zeitaufwändige Einarbeitung junger Dienstanfänger, die in der Mehrzahl der Fälle hier ihre ersten beruflichen Schritte ihres beruflichen Werdegangs tun.    

Heute sind neben Behörden – und Geschäftsleiter insgesamt 18 Staatsanwälte, 6 Rechtspfleger, 11 mittlere Beamte und 26 Justizangestellte im Auftrag unserer Bürger aktiver Teil der Gewährung von Rechtsfrieden sowie  von Sicherheit und Ordnung in der hiesigen Region. Deren Fleiß, deren Engagement und Motivation ist der Garant dafür, dass wir auch für die nächsten 10 Jahre zuversichtlich sind, diesem Anspruch genügen zu können.