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Oberlandesgericht München

Oberlandesgericht München

Pressemitteilung 30 vom 25.10.2021

Strafverfahren gegen Jennifer W. wegen Verdachts der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland u.a.

In dem oben genannten Verfahren hat der 8. Strafsenat des Oberlandesgerichts München heute am 77. Verhandlungstag das Urteil gesprochen. Der Senat hat die Angeklagte unter anderem wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, wegen Beihilfe zum versuchten Mord durch Unterlassen und wegen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit mit Todesfolge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Jahren verurteilt.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sich die Angeklagte im Sommer 2014 der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat (IS) anschloss. Im Mai/Juni 2015 heiratete die Angeklagte nach islamischem Recht den vor dem Oberlandesgericht Frankfurt Angeklagten Taha Al J., der nach den Feststellungen des Senats ebenfalls ein Mitglied des IS war.

Zur Überzeugung des Gerichts befanden sich ab Mai/Juni 2015 bis Mitte August 2015 die Nebenklägerin und deren 5-jährige Tochter als Haussklaven im Haushalt der Angeklagten und ihres Ehemanns. Nach den Feststellungen des Gerichts wurde die Nebenklägerin zusammen mit ihrer Tochter als Angehörige der jesidischen Minderheit zuvor vom IS versklavt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der anderweitig Verfolgte Taha Al J. mit Kenntnis der Angeklagten die Nebenklägerin und ihre 5-jährige Tochter regelmäßig mit Schlägen bestrafte.

Zur Überzeugung des Gerichts hängte der Ehemann der Angeklagten im August 2015 das in seinem Haushalt lebende 5-jährige Mädchen in der Mittagshitze an ein Außengitter des Innenhofes seines Wohnanwesens, um es dafür zu bestrafen, dass es auf eine Matratze uriniert hatte. Der Senat sah es als erwiesen an, dass das Kind infolge dessen letztlich verstarb. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme sah es der Senat zudem als erwiesen an, dass die Angeklagte sich nicht um die Rettung des Kindes bemühte, obwohl sie erkannte, dass es sich in einer unmittelbar lebensbedrohlichen Verfassung befand.
 
Zugunsten wertete der Senat insbesondere, dass die Angeklagte nur eingeschränkte Möglichkeiten hatte, die Versklavung der in ihrem Haushalt lebenden Nebenklägerin und deren Tochter zu beenden und dass die Angeklagte erst zu einem sehr späten Zeitpunkt erkannte, dass die 5-jährige Geschädigte infolge der Bestrafungsaktion versterben könnte.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dem Generalbundesanwalt, der Angeklagten und ihren Verteidigern steht das Rechtsmittel der Revision zu.


Mit freundlichen Grüßen


Florian Gliwitzky
Richter am Oberlandesgericht
Leiter der Justizpressestelle bei dem Oberlandesgericht München