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Oberlandesgericht München

Oberlandesgericht München

Pressemitteilung 32 vom 07.12.2021

Strafverfahren gegen Horst B. wegen des Verdachts der schweren Körperverletzung u.a. („Kastrationen“)

Das Schwurgericht des Landgerichts München II hat den Angeklagten in dem oben genannten Verfahren wegen schwerer Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren 6 Monaten verurteilt. Vom Tatvorwurf des Mordes wurde der Angeklagte freigesprochen. Es wurden Taterträge in einer Höhe von 4150 € eingezogen.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte in der Zeit von Juli 2018 bis März 2020 - zum Teil gegen Entgelt - Operationen an den Hoden von 8 geschädigten Männern durchgeführt hat. Das Gericht sah es ferner als erwiesen an, dass der Angeklagte durch Entfernung der Hoden bzw. Durchtrennung der Samenstränge die Zeugungsunfähigkeit von 4 Geschädigten herbeiführte. Zur Überzeugung des Gerichts täuschte der Angeklagte die Geschädigten vor den Eingriffen jeweils über seine medizinische Qualifikation, indem er sich als Rettungsassistent mit Einsatzerfahrung bezeichnete. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die jeweils von den Geschädigten erteilten Einwilligungen unwirksam waren, weil diese über die medizinische Qualifikation des Angeklagten im Irrtum waren. Zur Überzeugung des Gerichts erhielt der Angeklagte von einzelnen Geschädigten einen Lohn für die jeweils danach durchgeführten Eingriffe in Höhe des eingezogenen Tatertrags.

Dagegen hat das Schwurgericht den Angeklagten vom Tatvorwurf des Mordes freigesprochen. Das sachverständig beratene Gericht war zwar nach durchgeführter Beweisaufnahme der Überzeugung, dass einer der Geschädigten nach einer Hodenoperation in der Zeit zwischen dem 24.03.2020 und dem 31.03.2020 verstorben ist, konnte aber eine natürliche Todesursache nicht ausschließen. Damit konnte das Gericht nicht nachweisen, dass der Geschädigte an den Folgen der vom Angeklagten durchgeführten Hodenoperation verstorben ist. Der Schwurgerichtsvorsitzende, Thomas Bott, hob in seiner Urteilsbegründung hervor, dass der Angeklagte nach Ausschöpfung aller Beweismittel aus Mangel an Beweisen freizusprechen war.

Bei der Strafzumessung ging die Strafkammer bei den einzelnen Taten von einem minder schweren Fall aus, weil die Initiative zu den jeweiligen Operationen jeweils von den Geschädigten ausging. Zugunsten des Angeklagten würdigte die Strafkammer ein Teilgeständnis. Zugunsten wertete die Kammer zudem, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist. Strafmildernd berücksichtigte das sachverständig beratene Schwurgericht schließlich den Umstand, dass der Angeklagte - bei vollständig erhaltener Schuldfähigkeit - unter einer multiplen Störung der Sexualpräferenz leidet.

Zu Lasten des Angeklagten wertete das Gericht unter anderem den Umstand, dass der Angeklagte als medizinischer Laie abstrakt lebensgefährliche Eingriffe mit einem Skalpell durchgeführt hat und dass die Körperverletzungshandlungen zum Teil zu erheblichen gesundheitlichen Folgen bei den Geschädigten führten. Strafschärfend berücksichtigte das Gericht, dass sich der Angeklagte zum Teil nicht unerheblich bei den Geschädigten bereichert hat.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Verteidigung, Nebenklage und Staatsanwaltschaft steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.

Die Strafkammer hat die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet.


Mit freundlichen Grüßen

Florian Gliwitzky
Richter am Oberlandesgericht
Leiter der Justizpressestelle bei dem Oberlandesgericht München