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Oberlandesgericht München

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Pressemitteilung 4 vom 09.02.2022

Strafverfahren gegen Rolf M. wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Verschreibens von Betäubungsmitteln

Die 19. Strafkammer des Landgerichts München I hat heute nach einer Verständigung im Strafprozess den Angeklagten Rolf M. (68) wegen 539 Fällen der unerlaubten gewerbsmäßigen Verschreibung von Betäubungsmitteln und wegen Besitzes einer Pistole zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren 6 Monaten verurteilt. Das Gericht hat gegen den Angeklagten ferner ein Berufsverbot verhängt, mit dem ihm eine Tätigkeit als Arzt untersagt wird, soweit mit ihr die Verschreibung von Betäubungsmitteln verbunden ist. Es wurden Taterträge in Höhe von 47.700 € eingezogen.

Die Kammer sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte, der als niedergelassener approbierter Arzt zuletzt in München eine Arztpraxis unterhielt, in der Zeit vom 01.03.2017 bis 04.10.2018 Marihuana an Patienten in 539 Fällen verschrieben hat, obwohl bei diesen Patienten kein therapeutisches Erfordernis hierfür bestand.

Seit einer Änderung des Betäubungsmittelgesetzes, die zum 10. März 2017 in Kraft trat, können Ärzte ihren Patienten Cannabis verschreiben, wenn ihre Anwendung begründet ist, ohne dass der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann. Die Verschreibung von Cannabis ist daher nur zulässig, wenn der Arzt aufgrund eigener Untersuchung festgestellt hat, dass die Anwendung des jeweiligen Betäubungsmittels aus ärztlicher Sicht geeignet und erforderlich ist, um ein Therapieziel zu erreichen, das sich im Rahmen des ärztlichen Heilauftrages hält.

Das Gericht stellte im Rahmen der Beweisaufnahme fest, dass der Angeklagte seinen Patienten ohne eigene Untersuchung und Diagnose Cannabis verschrieb. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme kam die Kammer zu dem Schluss, dass die vom Angeklagten unterhaltenen Praxisräume nicht so ausgestattet waren, dass ihm eine Untersuchung und ordnungsgemäße Diagnosestellung möglich war.

Zur Überzeugung des Gerichts kam es dem Angeklagten darauf an, sich eine dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen. Nach den Feststellungen vereinbarte der Angeklagte mit seinen Patienten für die jeweils erste Verschreibung von Cannabis eine Zahlung in Höhe von 120 € bzw. ab dem Jahr 2018 in Höhe von 150 € sowie für jede Folgeverschreibung eine Zahlung in Höhe von jeweils 60 €. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme traf sich der Angeklagte mit seinen Patienten zur Verschreibung zum Teil in verschiedenen Restaurants und Cafés in München. Er erzielte insgesamt Erlöse in Höhe von 47.740 €.

Die Strafkammer sah es weiter als erwiesen an, dass der Angeklagte eine Pistole besessen hat, für die er keine waffenrechtliche Erlaubnis hatte.

Bei der Strafzumessung wurde zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er bei der Verschreibung der Rezepte auch seine Pflichten als Arzt grob verletzt hat. Das Gericht ging davon aus, dass die unkontrollierte Verschreibung von Cannabis grundsätzlich geeignet ist, erhebliche Gesundheitsgefahren für die Empfänger der Rezepte hervorzurufen.

Zugunsten des nicht vorbestraften Angeklagten wertete die Kammer den freiwilligen Verzicht auf die Approbation sowie sein von Schuldeinsicht und Reue getragenes Geständnis. Das Gericht berücksichtigte zudem den Umstand, dass sich der Angeklagte mit der formlosen Einziehung der sichergestellten Waffe einverstanden erklärt hat.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft München I steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.


Mit freundlichen Grüßen


Florian Gliwitzky
Richter am Oberlandesgericht
Leiter der Justizpressestelle bei dem Oberlandesgericht München