Menü

Oberlandesgericht München

Oberlandesgericht München

Pressemitteilung 47 vom 01.08.2023

Landgericht München I: Sicherungsverfahren gegen Ibrahim T. wegen des Verdachts des Totschlags

Das Landgericht München I – 1. Große Strafkammer als Schwurgericht – hat mit Urteil vom heutigen Tage die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für den Beschuldigten aufrechterhalten.
 
Die Vorsitzende Martina Bogner hielt eingangs fest, dass Sicherungsverfahren gegen schuldunfähige Täter regelmäßig eine Tragik innewohne. Im konkreten Fall bestehe die besondere Tragik darin, dass der Beschuldigte in einem besonders gesicherten und geschützten Raum – der forensischen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses – einen anderen – ebenfalls psychisch Erkrankten – töten konnte.

Nach den Feststellungen des Schwurgerichts leidet der Beschuldigte seit vielen Jahren an einer paranoiden Schizophrenie mit Verfolgungswahn und zeitweisen akustischen Halluzinationen. Zahlreiche Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken und ambulante Behandlungen verschafften keine dauerhafte Linderung. Infolge dieser Erkrankung hatte der Beschuldigte vor der hier abgeurteilten Tat bereits zwei Patientenzimmer in einem psychiatrischen Krankenhaus in Brand gesetzt und befand sich aufgrund eines Unterbringungsbefehls in einem psychiatrischen Krankenhaus. 

Im Krankenhaus habe der Beschuldigte mehrfach darum gebeten, das Zimmer zu wechseln. Näher habe er dies gegenüber der Klinik aber nicht begründet, insbesondere habe er nicht mitgeteilt, dass er Angst vor seinem Mitbewohner hatte. Der Beschuldigte hatte aufgrund seiner Erkrankung geglaubt, von seinem Mitbewohner vergewaltigt worden zu sein. Auch dies hatte er aber der Klinik nicht mitgeteilt. Aus organisatorischen Gründen sei die Klinik dem Wunsch nicht gefolgt. Aufgrund akuter, aber tatsächlich völlig unbegründeter Angst, dass ihn sein Mitbewohner – aus seiner Sicht erneut – vergewaltigen könnte, habe der Beschuldigte beschlossen, diesen zu töten. In Ausführung dieses Tatentschlusses habe er in der Nacht auf den 13.11.2021 ein Tischbein abgerissen und habe damit mehrfach auf den Kopf des Geschädigten eingeschlagen. Dieser sei kurz darauf im Krankenhaus verstorben. Das Gericht wertete die Tat als Totschlag. Mordmerkmale habe der Beschuldigte nicht verwirklicht. Aufgrund der psychischen Erkrankung sei die Fähigkeit des Beschuldigten zur Unrechtseinsicht zum Zeitpunkt der Tat aufgehoben gewesen. Ihm habe deshalb die Unrechtseinsicht gefehlt. Es habe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem wahnhaften Erleben des Beschuldigten und seiner Tatbegehung bestanden.

Der Beschuldigte hatte den Tatvorwurf vollumfänglich eingeräumt.

Da der Beschuldigte aufgrund der Brandlegung bereits von einer anderen Strafkammer des Landgerichts München I zu einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verurteilt worden war, sprach das Schwurgericht die Aufrechterhaltung dieser Unterbringung aus. Der Beschuldigte sei für die Allgemeinheit gefährlich. Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass der Beschuldigte weitere erhebliche Straftaten begehen würde. Der Verfolgungswahn des Beschuldigten dauere nach wie vor an. Dem Beschuldigten fehle jegliche Krankheitseinsicht. Noch in der Unterbringung habe er seinen behandelnden Arzt körperlich angegriffen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft München I steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.


Dr. Laurent Lafleur
Leiter der Pressestelle für Strafsachen
Richter am Oberlandesgericht