Menü

Oberlandesgericht München

Oberlandesgericht München

Pressemitteilung 61 vom 27.10.2023

Landgericht München I: Strafverfahren gegen Mohammed Y. (57 Jahre) wegen des Verdachts des versuchten Mordes

Das Schwurgericht des Landgerichts München I hat den Angeklagten Mohammed Y. heute wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und versuchten Schwangerschaftsabbruchs zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren verurteilt.

Nach den Feststellungen der Strafkammer habe die spätere Geschädigte im Alter von 15 Jahren den ältesten Sohn des Angeklagten in Afghanistan geheiratet und habe mit der Familie des Angeklagten bestehend aus zunächst sechs Personen in einer Wohnung in München gelebt. Der Angeklagte und seine Frau hätten erwartet, dass die Geschädigte im Haushalt mithelfe und auch eigeninitiativ Tätigkeiten übernehme. Hierüber habe es immer wieder Streit gegeben. Zudem habe die Familie finanzielle Schwierigkeiten gehabt, nachdem der Ehemann der Geschädigten keiner Arbeit nachgegangen sei und der Angeklagte seit Beginn der Corona Pandemie nur noch in Kurzarbeit beschäftigt war. Als die Geschädigte erneut schwanger geworden sei, habe der Angeklagte den Abbruch der Schwangerschaft verlangt, weil er weitere finanzielle Probleme befürchtet habe. Der Angeklagte war der Meinung, dass die Geschädigte ihm gegenüber nicht den nötigen Respekt habe und machte sie für die aus seiner Sicht negative Entwicklung seines Sohnes verantwortlich. Im Juni 2022 habe der Angeklagte daher beschlossen, die Geschädigte zu töten; dabei habe er auch den Embryo töten wollen. Am Tattag habe er mit einem Hammer, den er zuvor hinter seinem Rücken verborgen habe, insgesamt 45 Mal unter dem Ausruf „Heute ist Dein Schicksal“ mit hoher Intensität auf den Kopf und den Oberkörper der Geschädigten eingeschlagen, um sie zu töten. Die Geschädigte sei von dem Angriff so überrascht gewesen, dass sie sich nicht habe wehren können. Auch, nachdem die Geschädigte bereits das Bewusstsein verloren hatte, habe der Angeklagte noch weiter auf sie eingeschlagen und habe erst aufgehört, als er glaubte, sie getötet zu haben.

Anschließend habe der Angeklagte selbst einen Notruf abgesetzt und mitgeteilt, dass er Streit mit der Geschädigten gehabt habe und diese nun tot sei.

Die Geschädigte erlitt zahlreiche Schädelverletzungen und eine Hirnblutung. Es kam zum Austritt von Hirnflüssigkeit. Sie befand sich in konkreter Lebensgefahr und konnte nur gerettet werden, weil infolge des vom Angeklagten abgesetzten Notrufs auch ein Notarzt alarmiert wurde. Der Embryo verstarb, ohne, dass dies sicher auf die Tat zurückzuführen ist.

Der Angeklagte hatte angegeben, dass die Geschädigte ihn mit dem Hammer angegriffen habe und er sich verteidigt habe. Das wies die Kammer unter Vorsitz von Elisabeth Ehrl zurück: Das sei eine Erfindung, wie sich an zahlreichen Widersprüchen in seinem Aussageverhalten zeige. Zudem sei die Einlassung auch nicht mit der Spurenlage, insbesondere den rechtsmedizinischen Befunden, in Einklang zu bringen.

Das Schwurgericht wertete die Tat als versuchten heimtückischen Mord. Trotz der eingetretenen lebensgefährlichen Verletzungen gewährte die Kammer eine Strafmilderung und sah von der Verhängung einer auch bei einem versuchten Mord grundsätzlich denkbaren lebenslangen Freiheitsstrafe ab, weil der Angeklagte mit seinem Notruf letztlich – wenn auch ungewollt - das Leben der Geschädigten gerettet habe.

Abschließend äußerte die Vorsitzende Richterin ihr Unverständnis darüber, dass weder der Angeklagte noch seine Familie – mit Ausnahme des Ehemanns der Geschädigten – Interesse am Zustand der Geschädigten gehabt hätten und diese überhaupt kein Mitgefühl für die Geschädigte hätten erkennen lassen. Dem Angeklagten hielt sie vor, dass er mit der Tat statt, wie erhofft, den Familienfrieden zu retten, die Familie zerstört habe.


Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft München I steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.

 

Dr. Laurent Lafleur
Leiter der Pressestelle für Strafsachen
Richter am Oberlandesgericht