Pressemitteilung 43 vom 02.07.2025
Landgericht München I Strafverfahren gegen Brigitte W. (90 Jahre) wegen des Verdachts des Mordes
Das Schwurgericht des Landgerichts München I hat heute die Angeklagte wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren 3 Monaten verurteilt.
Die Vorsitzende Richterin Elisabeth Ehrl hielt eingangs fest, dass es sich um ein ungewöhnliches Verfahren handele.
Die Kammer traf folgende Feststellungen: Die Angeklagte und die spätere Geschädigte waren seit etwa 40 Jahren miteinander befreundet. Die Angeklagte sei innerhalb dieser Freundschaft dominant aufgetreten und habe Unterstützung von der Geschädigten eingefordert. Schon in der Vergangenheit hatte die Angeklagte die Geschädigte mehrfach geschubst und geschlagen und hierdurch auch verletzt. Aus Verärgerung über ein Missgeschick im Haushalt der Angeklagten schlug diese der Geschädigten am Abend des 15.07.2024 kräftig ins Gesicht und verletzte sie dadurch erheblich. Nach einem weiteren Missgeschick der Geschädigten in der Küche der Angeklagten einige Stunden später geriet die Angeklagte in Wut und versetzte ihr daraufhin in der Nacht auf den 16.07.2024 eine Ohrfeige, woraufhin die Geschädigte die Angeklagte von sich weg gegen die Wand schubste. Die Angeklagte setzte ihren Angriff auf die Geschädigte danach fort, griff zu einem 450 Gramm schweren Kochtopf aus Metall und schlug damit zwei Mal kräftig auf den Kopf der Geschädigten ein. Als die Geschädigte daraufhin aufschrie, rief die Angeklagte sie dazu auf, um die Zeit nicht so laut zu schreien. Anschließend erfolgten noch weitere Schläge mit nicht näher identifizierten Gegenständen ins Gesicht und auf den Kopf. Hierdurch erlitt die Geschädigte unter anderem mehrere Platzwunden, flächenhafte Einblutungen im Gesichts- und Kopfbereich sowie eine vollständige Durchtrennung der Ober- und Unterlippe mit einem Bruch des Oberkiefers und dem Ausbruch von vier Zähnen. Außerdem wirkte die Angeklagte so auf den Kopf der Geschädigten ein, dass diese eine großflächige Ablederung der Kopfschwarte vom Schädel erlitt, die mit einer starken Einblutung einherging. Bei ihrer Vorgehensweise habe die Angeklagte den Tod der Geschädigten jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen. Die Geschädigte verstarb an den Folgen der Schläge an Verbluten nach innen und außen.
Die von einem psychiatrischen und einer psychologischen Sachverständigen beratene Kammer ging auch unter Berücksichtigung des hohen Lebensalters von der voll erhaltenen Schuldfähigkeit aus.
Die Angeklagte hatte sich in der Hauptverhandlung nicht geäußert, sondern sich dazu entschieden, sich schweigend zu verteidigen. Das Schwurgericht stützte seine Überzeugung insbesondere auf die Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen, die Verletzungen der Geschädigten mit Schlägen mit einem Kochtopf in Einklang bringen konnte. Die Feststellungen beruhen zudem auf den Angaben der Angeklagten gegenüber der Polizei in einer Beschuldigtenvernehmung.
Das Schwurgericht wertete die Taten in rechtlicher Hinsicht als Totschlag und gefährliche Körperverletzung. Anhand des Verletzungsbildes geht die Kammer von einer äußerst intensiven Gewalteinwirkung aus, bei der die Angeklagte nicht habe darauf vertrauen können, dass ein tödlicher Erfolg ausbleibe. Sie habe den tödlichen Ausgang vielmehr für möglich gehalten und sich mit dem Tode der Geschädigten abgefunden. Mordmerkmale seien allerdings nicht verwirklicht worden. Den ersten Schlag wertete das Gericht als gefährliche Körperverletzung.
Bei der Strafzumessung hielt die Vorsitzende zunächst fest, dass entgegen der hilfsweise geäußerten Auffassung der Verteidigung kein minder schwerer Fall des Totschlags vorliege. Die Angeklagte ist bislang nicht vorbestraft und habe sowohl in einem Notruf als auch in einer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung den Tatvorwurf jedenfalls teilweise eingeräumt. Aufgrund ihres hohen Lebensalters sei sie zudem besonders strafempfindlich sowie in Zusammenschau mit ihrem straflosen Vorleben besonders haftempfindlich. Zugleich sei zu berücksichtigen, dass die Angeklagte eine Mehrzahl von – auch unterschiedlichen – Angriffshandlungen verübt habe und überdies ein auffälliges Missverhältnis zwischen Anlass und Tat bestehe. Im Ergebnis hielt die Kammer eine Freiheitsstrafe von 8 Jahren 3 Monaten für angemessen.
Staatsanwalt Felix Prokop hatte in seinem Plädoyer beantragt, die Angeklagte wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu verurteilen; die Verteidiger hatten eine Verurteilung nur wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Bewährungsstrafe gefordert.
Die Angeklagte versuchte die mündliche Urteilsbegründung mehrfach zu stören und beleidigte die Kammer mit teilweise drastischen Worten. Die Vorsitzende Richterin ließ sich aber hiervon nicht aus der Ruhe bringen und begründete das Urteil in der gebotenen Sorgfalt und Ausführlichkeit
Abschließend hielt die Vorsitzende fest, dass es das gute Recht einer jeden Angeklagten sei, sich schweigend zu verteidigen. Allerdings werde so die Gelegenheit versäumt, „Pluspunkte“ zu sammeln und so eine Strafmilderung zu erreichen. Das Gericht dürfe sich auch unter Berücksichtigung des hohen Lebensalters der Angeklagten nicht davon lösen, eine schuldangemessene Strafe auszusprechen. Es gebe keinen allgemeinen Rechtssatz, wonach jeder Angeklagte die Gewissheit haben müsse, das Gefängnis wieder lebend zu verlassen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft München I steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.
Dr. Laurent Lafleur
Leiter der Pressestelle für Strafsachen
Richter am Oberlandesgericht