Pressemitteilung 77 vom 24.10.2025
Landgericht München II Strafverfahren gegen Nicole H. (45 Jahre) und Markus D. (46 Jahre) wegen des Verdachts der Untreue („Untreue Pflegerin“)
Die 10. Große Strafkammer des Landgerichts München II unter dem Vorsitz von Martin Meixner hat am 21.10.2025 die Angeklagte Nicole H. wegen Untreue in 5 Fällen und den Angeklagten Markus D. wegen Untreue in 23 Fällen schuldig gesprochen. Gegen die Angeklagte Nicole H. verhängte die Kammer eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und gegen den Angeklagten Markus D. zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr 4 Monate, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Nach den Feststellungen des Gerichts hatte sich die Angeklagte Nicole H. neben ihrer Tätigkeit als Pflegerin seit dem Jahr 2019 um die Finanzen eines hoch betagten und vermögenden Rentners gekümmert. Der Geschädigte hatte ihr eine Vollmacht erteilt und hatte der Angeklagten auch seine EC-Karte samt PIN überlassen. Innerhalb von wenigen Wochen hob die Angeklagte insgesamt 165.000 € von dem Konto ab, um das Geld für sich zu behalten. Anschließend gab die Angeklagte Karte und PIN an den Angeklagten D. weiter. Zudem füllte die Angeklagte einen vom Geschädigten unterzeichneten Blanko-Überweisungsträger aus und überwies sich so unmittelbar nach dessen Tod 70.000 € auf ihr Konto. Der Angeklagte D. hob mit der ihm von der Angeklagten H. zur Verfügung gestellten Karte insgesamt 10.000 € vom Konto des Geschädigten ab und überwies zudem noch rund 8.000 € auf sein eigenes Konto und die Konten Dritter, um so eigene Rechnungen zu begleichen. Der Geschädigte verstarb im Jahr 2019.
Das Verfahren war aufgrund einer Anzeige des Nachlassgerichts am Amtsgericht Ebersberg eingeleitet worden. Die Angeklagte Nicole H. hatte dort einen Erbschein auf sich beantragt. Bei der gerichtlichen Prüfung des handschriftlichen Testaments, in dem Nicole H. als Erbin angegeben war, stellte sich heraus, dass der alleinstehende Witwer zu diesem Zeitpunkt aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr testierfähig war.
Die Strafkammer stützte ihre Überzeugung insbesondere auf die Angaben einer weiteren Pflegerin des Geschädigten und einer medizinischen Sachverständigen. In der mehrtätigen Hauptverhandlung ergab sich, dass Nicole H. mit dem Geschädigten mehrfach geübt hatte, sein Testament zu schreiben, als dieser bereits nicht mehr testierfähig war. Zudem veranlassten und organisierten die beiden Angeklagten den Verkauf von drei Immobilien des geschäftsunfähigen Geschädigten. Mit dem Zahlungseingang des Verkaufspreises auf dessen Konto schafften die Angeklagten so zunächst erst ein höheres und insbesondere liquides Geldguthaben, auf das Nicole H. aufgrund ihrer Vollmacht sodann zugreifen konnten. Die Kontobewegungen und Auszahlungen kurz nach dem Geldeingang konnten zudem anhand der erholten Bankunterlagen nachvollzogen werden.
Das Gerichtet würdigte den Sachverhalt jeweils als Untreue.
Bei der Strafzumessung würdigte das Gericht zugunsten der beiden Angeklagten, dass sie bislang nicht vorbestraft waren. Erheblich zu Lasten der Angeklagten wirkte sich die jeweilige Höhe des eingetretenen Vermögensschadens aus. Auch den Umstand, dass die Angeklagten mit hoher krimineller Energie handelten, indem sie über einen längeren Zeitraum planvoll und mehraktig handelten und das hohe Alter sowie die schwere körperliche und geistige Erkrankung eines schutzbedürftigen Geschädigten zur Begehung der Tat ausnutzten, stellte der Vorsitzende Martin Meixner als strafschärfend dar.
Das Gericht ordnete zudem die Einziehung in Höhe von 235.000 € bei der Angeklagten H. und in Höhe von rund 17.000 € beim Angeklagten D. an.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft München II steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab Urteilsverkündung eingelegt werden müsste.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Laurent Lafleur
Leiter der Pressestelle für Strafsachen
Richter am Oberlandesgericht