Pressemitteilung 92 vom 28.11.2025
Landgericht München I Urteil im Strafverfahren gegen Abdulrahman K. (31 Jahre) wegen des Verdachts des versuchten Mordes u.a.
Die 1. Große Strafkammer als Schwurgericht des Landgerichts München I unter Vorsitz von Elisabeth Ehrl hat heute nach zehntägiger Hauptverhandlung den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge und gefährlicher Körperverletzung, jeweils in zwei tateinheitlichen Fällen, in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung in 29 tateinheitlichen Fällen und mit versuchter schwerer Brandstiftung in weiteren 8 tateinheitlichen Fällen und mit versuchter gefährlicher Körperverletzung in 34 Fällen und mit Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren 6 Monaten verurteilt.
Nach den Feststellungen des Schwurgerichts lernte der Angeklagte im Mai 2022 die spätere Geschädigte über die Plattform MySugardaddy kennen und begann mit dieser eine kurze Beziehung, aus der im März 2023 ein Sohn hervorging. Die Beziehung mit der Geschädigten ging wegen der Schwangerschaft in die Brüche, weil sich der Angeklagte gegen die Austragung des Kindes aussprach. Parallel dazu führte der Angeklagte eine weitere Beziehung, aus der fast zeitgleich ebenfalls ein Kind entstand.
Der Angeklagten sah sich Unterhaltspflichten des Sohnes gegenüber, denen er sich entziehen wollte, weil er sich daneben weiteren Zahlungsverpflichtungen ausgesetzt sah, namentlich dem Unterhalt für das weitere Kind und hohen Darlehensrückzahlungen für diverse Anschaffungen, darunter für hochwertige Fahrzeuge.
Nach den Feststellungen des Schwurgerichts, beschloss der Angeklagte, die Geschädigte und seinen Sohn zu töten, um sich den Unterhaltsverpflichtungen zu entziehen. Am 26.03.2025 gegen 03.00 Uhr in der Nacht habe er in der in einem 9-stöckigen Mehrparteienhaus befindlichen Wohnung der Geschädigten einen Brand verursacht, indem er Benzin als Brandbeschleuniger unter deren Wohnungseingangstür in die Wohnung eingeleitet und sodann von außen entzündet habe, wodurch die Wohnungstür und der Bodenbelag des Flures in der Wohnung in Brand geraten seien. Durch das Feuer oder die dabei entstehenden giftigen Rauchgase sollten nach den Vorstellungen des Angeklagten die zur Nachtzeit schlafende Geschädigte und der Sohn getötet werden. 10 Sekunden nach der Brandlegung entwickelte sich eine vom Angeklagten nicht vorhergesehene Rauchgasverpuffung. Durch den Knall erwachte die Geschädigte und schaffte es, sich und den Sohn aus der brennenden Wohnung zu retten. Die Geschädigte erlitt Brandwunden und eine Rauchgasintoxikation, das Kind blieb unverletzt.
Neben der Geschädigten und ihrem Sohn befanden sich zur Tatzeit 35 weitere Bewohner in dem Mehrparteienhaus, 27 mussten über das verrauchte Treppenhaus als einzig möglichen Fluchtweg flüchten und befanden sich daher in konkreter Gesundheitsgefahr. Eine Bewohnerin trug Gesundheitsbeeinträchtigungen davon. Zwei Bewohner des Erdgeschosses konnten über die Terrasse flüchten, 6 verblieben in ihren Wohnungen und blieben glücklicherweise unverletzt.
Das Schwurgericht bildete sich seine Überzeugung aufgrund der Einlassung des Angeklagten, soweit dieser gefolgt werden konnte, der Spurenlage, der elektronischen Daten, der Angaben der Geschädigten sowie weiterer Zeugen und Sachverständiger. Die Motivlage des Angeklagten ergab sich insbesondere aus der Auswertung der beim Angeklagten sichergestellten Mobiltelefone, aus denen sich eine intensive Internetrecherche zur Frage der Unterhaltspflicht, zu Brandlegungen in Wohnungen mit Benzin und der verheerenden Wirkung von Rauchgasen ergeben habe.
Aufgrund dieser Beweismittel ging das Schwurgericht von Tötungsabsicht aus. Das Schwurgericht folgte dabei nicht den Angaben des Angeklagten, dass er lediglich die Wohnung unbewohnbar machen wollte, damit er die Betreuung des Sohnes übernehmen könne. Bis zur Tat habe er keinerlei Interesse an seinem Sohn gezeigt.
Das Schwurgericht nahm die Mordmerkmalen der Heimtücke, der Habgier und der Gemeingefährlichkeit an. Der Angeklagte habe bewusst die Nachtzeit als Tatzeit gewählt, als er sicher davon ausgehen konnte, dass die Geschädigte und das Kind schlafen würden. Er habe sich durch die beabsichtigte Tötung seiner Unterhaltspflicht entziehen wollen. Dabei sei er ohne Rücksicht auf weitere Personen vorgegangen, da er durch die Brandlegung in einem Mehrparteienhaus ein gemeingefährliches Mittel eingesetzt und damit die Gefährdung der weiteren Bewohner in Kauf genommen habe.
Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer insbesondere sein Geständnis bezüglich des objektiven Tatbestands der Brandlegung gewürdigt, seine diesbezügliche Entschuldigung und seine Bereitschaft, hierfür eine Entschädigung an die Geschädigte zu zahlen. Zu seinen Gunsten wurde auch berücksichtigt, dass nur geringe körperliche Gesundheitsschäden entstanden sind, die folgenlos verheilt sind. Daneben stellte sie seine Vorstrafenfreiheit zu seinen Gunsten ein.
Zu Lasten des Angeklagten hat die Kammer die Verwirklichung zahlreicher Straftatbestände, die Verwirklichung von 3 Mordmerkmalen, die Tötungsabsicht, sein planvolles und gezieltes Vorgehen, die bei der Geschädigten verbliebenen psychischen Schäden und die erheblichen materiellen Schäden durch die Brandlegung, entstanden bei der Wohnungseigentümerin sowie bei der Geschädigten durch die weitgehende Zerstörung der in die Wohnung verbrachten persönlichen Gegenständen, berücksichtigt.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Dem Angeklagten und der Staatsanwaltschaft steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.
Die Strafkammer hat die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet.
Bettina Kaestner
Richterin am Oberlandesgericht
Justizpressestelle bei dem
Oberlandesgericht München