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Oberlandesgericht München

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Pressemitteilung 31 vom 31.07.15

Gymnasium Neufahrn bei Freising: Oberlandesgericht München hebt Urteil des Landgerichts Landshut auf und verurteilt Baufirma und Architekt zu Schadensersatz in Millionenhöhe

In dem seit Jahren dauernden Streit um lebensgefährliche Baumängel im Neubau des Gymnasiums Neufahrn bei Freising hat das Oberlandesgericht München nach aufwändiger Beweisaufnahme mit Urteil vom 31.07.2015 eine Baufirma und den Architekten zur Zahlung von Schadensersatz von über 1 Mio. Euro verurteilt. Das noch auf Klageabweisung lautende Urteil der Vorinstanz, des Landgerichts Landshut, hob das Oberlandesgericht auf.

Zum Hintergrund: 1996 wurde der Neubau des Gymnasiums Neufahrn bei Freising in Betrieb genommen. 12 Jahre später, im Jahr 2008, kam es in dem Gebäude zu einem Wasserschaden. Um diesen zu beheben, mussten die Trockenbaudecken geöffnet werden. Dabei handelt es sich um Gipskartondecken, die mit einer Unterkonstruktion aus Tragprofilen und Abhängern an der Betondecke befestigt sind. Als man die Decken geöffnet hatte, stellte man fest, dass sie höchst mangelhaft angebracht worden waren. Es bestand die Gefahr, dass Teile der Decke herabfallen könnten. Die Schule ließ deshalb vorsichtshalber die Trockenbaudecken im gesamten Schulgebäude ersetzen - insgesamt immerhin 10.000 qm. Die dadurch entstandenen Kosten von über 1 Mio. Euro wollte der Zweckverband für das Staatliche Gymnasium Neufahrn bei Freising als Träger der Schule von der Trockenbaufirma und dem Architekten zurück. Beiden warf sie Pfusch vor: Die Decken seien grob mangelhaft ausgeführt worden und der Architekt habe dies nur deshalb nicht bemerkt, weil er die Bauarbeiten nicht ordnungsgemäß überwacht habe.

Das Landgericht Landshut hatte die Klage des Zweckverbandes 2013 abgewiesen, da die Ansprüche nach seiner Auffassung verjährt seien. Der Zweckverband als Bauherr hätte die Mängel längst selber bemerken können und bemerken müssen. Die Fehler des Architekten seien dem Zweckverband zuzurechnen, weil der Architekt im Auftrag des Bauherrn gehandelt habe.

Der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München sah dies nun anders: Sowohl die Trockenbaufirma als auch der Architekt hätten durch die von ihnen jeweils eingeschalteten Subunternehmer arglistig gehandelt, was im konkreten Fall dazu führe, dass sich die Verjährungsfrist verlängere und eine Verjährung der Ansprüche des Klägers noch nicht eingetreten sei. Die Mängel seien so gravierend, dass es nur einem glücklichen Zufall zu verdanken sei, dass niemand durch herabfallende Deckenteile verletzt wurde. Die Fehler des Architekten müsse sich der Bauherr nicht zurechnen lassen. Schließlich habe der Bauherr den Architekten gerade zur Überwachung und Kontrolle der beteiligten Baufirmen beauftragt. Der Bauherr müsse weder klüger sein als sein Architekt, noch einen "Kontrolleur des Kontrolleurs" beauftragen. Im Gegenteil: Der Bauherr dürfe sich grundsätzlich darauf verlassen, dass der Architekt seine Arbeit ordnungsgemäß erledigt und die am Bau beteiligten Firmen überwacht. Erfüllt der Architekt die Pflichten aus dem Architektenvertrag nicht ordnungsgemäß, haften er und die mangelhaft arbeitende Baufirma gemeinsam. Deshalb müssen sie in diesem Fall dem Zweckverband -und damit letztlich dem Steuerzahler- über 1 Mio. Euro Schadensersatz leisten.

Die Revision gegen sein Urteil hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen. Die Beklagten können aber beim Bundesgerichtshof noch eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.

Das Geschäftszeichen des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht München lautet 13 U 1818/13 Bau.

Wilhelm Schneider
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht
Pressesprecher des Oberlandesgerichts München für Zivilsachen