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Oberlandesgericht München

Oberlandesgericht München

Pressemitteilung 64 vom 23.12.2022

Strafverfahren gegen Abdalrahman A. wegen des Verdachts des versuchten Mordes („ICE“)

Der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München hat heute nach 21-tägiger Hauptverhandlung den Angeklagten wegen des versuchten Mordes und der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil von drei Fahrgästen im ICE Passau – Nürnberg und der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil eines weiteren Fahrgastes schuldig gesprochen und ihn deswegen und wegen weiterer Delikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. 

Der Angeklagte hatte am Morgen des 06.11.2021 im ICE aus Passau in Richtung Nürnberg drei Fahrgäste mit einem Messer angegriffen, um diese zu töten. Durch die wuchtig geführten Stiche gegen Kopf und Oberkörper wurden die Angegriffenen teilweise schwer verletzt. Ein weiterer Fahrgast wurde beim Eingreifen in das Geschehen mit dem Messer verletzt.

In der anschließenden Unterbringung im Bezirksklinikum Regensburg hat der Angeklagte einen Pfleger körperlich angegriffen und verletzt und Krankenhauseinrichtung zerstört.

Der Strafsenat ist zur Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte aus einem jihadistisch-islamistischen Motiv heraus handelte. Auf der Fahrt des ICE hat der Angeklagte versucht, aus dieser Motivation heraus Nichtmuslime zu töten. Das handlungsleitende Motiv hat der Senat insbesondere aus der festgestellten jihadistischen Überzeugung, der Auswahl der Opfer und letztlich auch aus der Art des Anschlags geschlossen. 

Der Strafsenat konnte sich indessen nicht davon überzeugen, dass der Angeklagte bei Tatausführung psychisch derart beeinträchtig gewesen wäre, dass dies Einfluss auf seine Schuldfähigkeit gehabt hätte. Den vom Angeklagten zu seiner vorgeblichen psychiatrischen Erkrankung gemachten Angaben ist der Senat nicht gefolgt, weil diese Angaben in sich komplett widersprüchlich, wechselhaft und daher nicht glaubhaft gewesen seien. Auch die vom Gericht gehörten drei psychiatrischen Sachverständigen haben beim Angeklagten weder eine paranoide Schizophrenie noch eine andere relevante psychiatrische Erkrankung feststellen können. 

Das Oberlandesgericht nahm die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe an.

Beim Strafmaß hat das Gericht eine Strafrahmenverschiebung (Freiheitsstrafe zwischen 3 und 15 Jahren) wegen der glücklicherweise unvollendet gebliebenen Mordtaten vorgenommen und hat deswegen keine lebenslange Freiheitsstrafe ausgesprochen. Dabei hat das Gericht insbesondere berücksichtigt, dass trotz der Schwere der den Opfern zugefügten Verletzungen zu keinem Zeitpunkt eine konkrete Lebensgefahr bestanden hat. Aus den verhängten Einzelstrafen hat das Gericht eine Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren gebildet. 

Das Oberlandesgericht hat einem der Geschädigten, der sich dem Verfahren als Adhäsionskläger angeschlossen hatte, ein Schmerzensgeld von 50.000 € zugesprochen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Verteidigung, Nebenklage und der Generalbundesanwaltschaft steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.

Der Strafsenat hat die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. 


Mit freundlichen Grüßen


Bettina Kaestner
Richterin am Oberlandesgericht 
Justizpressestelle bei dem Oberlandesgericht München