Pressemitteilung 58 vom 27.08.2025
Landgericht München II: Urteil im Strafverfahren gegen Nikolay B. (34 Jahre), Patricia S.F. (58 Jahre), Radi S. (33 Jahre) und Cindy W. (29 Jahre) wegen des Verdachts des versuchten Mordes u.a. („Mordkomplott“)
Die 1. Große Strafkammer als Schwurgericht des Landgerichts München II unter Vorsitz von Thomas Bott hat heute nach 14-tägiger Hauptverhandlung die Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Die Angeklagten Patricia S.F. und Radi S. wurden deswegen zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt, die Angeklagten Nikolay B. und Cindy W. zu jeweils einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren. Die zunächst den Angeklagten Patricia S.F. und Cindy W. ebenfalls zur Last gelegten Vermögensdelikte wurden nicht weiterverfolgt.
Nach den Feststellungen des Schwurgerichts hatte die Angeklagte S.F. erhebliche finanzielle Engpässe, nachdem sie einen im Jahr 2018 erhaltenen Lottogewinn aufgebraucht hatte, aber ihren gehobenen Lebensstil aufrechterhalten wollte. Daneben machte sich Unzufriedenheit mit ihrer Beziehung zu ihrem damaligen Ehemann breit, da es wiederholt auch wegen ihrer Kinder aus erster Ehe zu Konflikten gekommen war. S.F. fasst spätestens im Herbst 2023 den Plan, ihren Ehemann – den späteren Geschädigten – zu töten, um an dessen beträchtliches Erbe zu kommen, und besprach sich hierzu mit ihrer Tochter, der Angeklagten Cindy W., und deren früheren Lebensgefährten, dem Angeklagten B. Anfang Januar 2024 reiste B. im Auftrag von S.F. und W. nach Bulgarien, um die Bereitschaft seines Bekannten, des Angeklagten Radi S., für eine bezahlte Auftragstat auszuloten. Der gemeinsame Tatplan wurde spätestens nach Rückkehr des B. gefasst. Zur Finanzierung der Tat - einschließlich einer Anzahlung für den Lohn das Auftragsmörders – löste die Angeklagte W. das Sparkonto ihres Sohnes auf und flog am 02.02.2024 zusammen mit dem Angeklagten B. nach Bulgarien, um den Angeklagten S. zu beauftragten. Diesem wurde ein Mordlohn von mindestens 50.000 Euro versprochen. Am 15.02.2024 kehrten W. und B. zusammen mit Radi S. gemeinsam mit dem Flugzeug nach Deutschland zurück. Kurz vor der eigentlichen Tat veranlasste die Angeklagte S.F. den Geschädigten, den Bewegungsmelder der Beleuchtung an dem gemeinsam bewohnten Haus in Odelzhausen stillzulegen, um die Tatausführung in Dunkelheit zu ermöglichen. Am 27.02.2025 fuhr der Angeklagte B. den Angeklagten S. entsprechend der gemeinsamen Planung in die Nähe des Wohnhauses. Der Angeklagte S. wurde dann von der Angeklagten S.F. in die Örtlichkeit und die Tatausführung eingewiesen, insbesondere wurde ihm die zum Haushalt gehörende Axt für den Angriff gezeigt. S. führte darüber hinaus ein Kampfmesser aus dem Besitz des Angeklagten B. mit sich. Der Angeklagte B. wartete inzwischen in dem unweit geparkten Fluchtfahrzeug.
Als sich der Geschädigte am 27.02.2024 gegen 21.55 Uhr – wie den Angeklagten bekannt war – zur Sternebeobachtung nach draußen begab, wurde er von S. mit mindestens 3 wuchtigen Axthieben und 2 Messerstichen angegriffen und dabei schwer verletzt. Nachdem ein Nachbar auf das Geschehen aufmerksam geworden war und mit seiner Taschenlampe die Szene ausleuchtete, flüchtete der Angeklagte S. aus Furcht vor Entdeckung durch die Thujenhecke, wobei er das Kampfmesser verlor, zum Fluchtfahrzeug. Von dort fuhr er gemeinsam mit dem wartenden Angeklagten B. fort. Der Geschädigte, der sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen hat, erlitt durch die Tat schwerste Schnittverletzungen an Gesicht, Kopf und Oberschenkel und eine Schädelfraktur, konnte aber durch sofort eingeleitete Maßnahmen gerettet werden.
Die Kammer hat sich ihre Überzeugung aus den Aussagen der vernommenen Zeugen, der Spurenlage am Tatort, auf dem Tatwerkzeug und im Fluchtfahrzeug, insbesondere aber auch durch eine Auswertung digitaler Daten gebildet. Dabei konnte insbesondere die Position der Beteiligten durch Geodaten von Mobiltelefonen und Fahrzeugen, aber auch durch die Auswertung der Verbindungsdaten gewonnen werden. Auffällig war dabei insbesondere eine „Telefonkette“ von S.F. zu W. zu B. und zu S. und zurück, die sich bei vielen entscheidenden Tathandlungen wiederholte, insbesondere am Tatabend.
Die Kammer ist bei allen Angeklagten von direktem Tötungsvorsatz ausgegangen und hat bei allen Angeklagten das Mordmerkmal der Heimtücke, bei den Angeklagten S.F., S. und W. wegen deren finanziellen Interessen an der Tat zusätzlich das Mordmerkmal der Habgier angenommen. Die Angeklagten haben als Mittäter gehandelt.
Bei der Strafzumessung hat die Kammer eine Verschiebung des Strafrahmens wegen der im Versuch stecken gebliebenen Tat geprüft. Zwar war die Tat noch nicht nahe an der Vollendung, weil das Tatopfer noch keine akut lebensbedrohlichen Verletzungen erlitten hatte, jedoch war die Tatausführung von besonderer Gefährlichkeit und alle Angeklagten zeigten ein hohes Maß an krimineller Energie. Anhand einer Gesamtbetrachtung aller für und wider die Angeklagten sprechenden Umstände hat die Kammer bei den Angeklagten S. und S.F. keine Strafrahmenverschiebung angenommen, so dass es insoweit bei der gesetzlichen Regelstrafe der lebenslangen Freiheitsstrafe verblieb. Dabei war bei der Angeklagten S.F. insbesondere zu ihren Lasten zu berücksichtigen, dass sie die Initiatorin des Tatplanes war und gegenüber dem Geschädigten einen besonders verwerflichen Vertrauensbruch beging. Leicht zu ihren Gunsten wirkte sich das zuletzt abgelegte pauschale Geständnis aus, wenngleich die Kammer hier keine große Schuldeinsicht und Reue sondern überwiegend eine verfahrenstaktische Motivation annahm. Bei dem tatausführenden Angeklagten S. stellte die Kammer insbesondere die beigebrachten erheblichen Verletzungen und die Verwirklichung zweier Mordmerkmale ein.
Bei den Angeklagten B. und W. hat die Kammer die Strafe aus dem gemilderten Strafrahmen von 3 bis 15 Jahren entnommen, denn bei der Gesamtwürdigung sprach insbesondere zugunsten des Angeklagten B., dass dieser nur ein Mordmerkmal verwirklichte und zudem in gewissem Maße im Fahrwasser der Angeklagten S.F. und W. gefangen war. Bei der Angeklagten W. führten ihre objektiv geringeren Tatbeiträge zur Annahme der Versuchsmilderung.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.
Die
Strafkammer hat die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet.
Bettina Kaestner
Richterin am Oberlandesgericht
Justizpressestelle bei dem
Oberlandesgericht München