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Oberlandesgericht München

Oberlandesgericht München

Pressemitteilung 67 vom 26.09.2025

Strafverfahren gegen Hanna S. wegen des Verdachts des versuchten Mordes u.a. „Es gibt keine gute politische Gewalt“

Der 8. Strafsenat des Oberlandesgerichts hat heute die Angeklagte Hanna S. wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt.

Nach einer 33tägigen Hauptverhandlung zeigte sich der Senat unter dem Vorsitz von Philipp Stoll davon überzeugt, dass sich die Angeklagte mit anderen Beteiligten bei einem Neonazi-Treffen in Ungarn, dem sog. „Tag der Ehre“ dazu verabredet hatte, Teilnehmer und solche, die sie dafür hielten, überfallartig anzugreifen und krankenhausreif zu prügeln. Im Februar 2023 kam es daraufhin zu insgesamt fünf Überfällen. Die Angeklagte war an zwei dieser Taten unmittelbar beteiligt, in dem sie die Geschädigten, die bereits am Boden lagen, festhielt und so weitere Schläge mit einem Schlagstock, einem Kubotan sowie Fußtritte ermöglichte. Zur Überzeugung des Gerichts dienten die Angriffe der Verhinderung einer weiteren Teilnahme an der Veranstaltung, aber auch der Abschreckung potenzieller Teilnehmer. Zudem wollten die Täter das öffentliche Interesse auf die Veranstaltung lenken. Die Angriffe waren dabei immer von einer großen zahlenmäßigen Überlegenheit und einer detaillierten Planung und Vorbereitung gekennzeichnet. So setzte die Gruppierung eine Person als „Überblicksperson“ ein, die dafür verantwortlich war, Passanten von einem Eingreifen abzuhalten und die Opfer zum Abschluss der sehr schnell ausgeführten Angriffe noch mit Pfefferspray zu besprühen. Die Geschädigten erlitten erhebliche Verletzungen, darunter (Kopf)lPlatzwunden, die mit bis zu 24 Stichen genäht werden mussten, Hämatome und Rippenbrüche. Ein Opfer wurde bis zur Bewusstlosigkeit geprügelt. Lebensgefährlich waren die Verletzungen glücklicherweise nicht.

Die Angeklagte hatte zu den Tatvorwürfen geschwiegen. Seine Feststellungen gründete das Gericht auf eine umfassende Gesamtwürdigung von zahlreichen Indizien. Von besonderer Bedeutung waren dabei Aufzeichnungen von Überwachungskameras, Zeugenaussagen und Sachverständigengutachten. Einige Mittäter der Angeklagten konnten zudem noch in Budapest mit entsprechender Bewaffnung festgenommen werden. Einer der Mittäter hatte daraufhin ein Geständnis abgelegt. Bei der Identifizierung der Angeklagten als eine der Personen, die auf den Videos der Überwachungskameras zu sehen war, stützte sich der Senat zum einen auf seine eigene Wahrnehmung, aber auch auf anthropologische Gutachten sowie eine Laservermessung und den Einsatz von sog. Super-Recognizern.

In rechtlicher Hinsicht wertete der Senat die Taten als gefährliche Körperverletzung, weil bei den Taten teilweise mehrere gefährliche Werkzeuge eingesetzt wurden, die Taten von mehreren gemeinschaftlich und mittels einer das  Leben jedenfalls abstrakt gefährdenden Behandlung begangen wurden. Darüber hinaus sieht der Senat den Tatbestand der mitgliedschaftlichen Betätigung in einer kriminellen Vereinigung als erfüllt an. Zweck der Vereinigung sei es gewesen, gefährliche Körperverletzungen gegenüber – mutmaßlichen – Teilnehmern der neonazistischen Veranstaltung in Budapest zu begehen. Das Gericht sah allerdings den Tatvorwurf des versuchten Mordes, der von der Bundesanwaltschaft erhoben worden war, nicht als gegeben an. Die Angeklagte habe nicht mit Tötungsvorsatz gehandelt.

Bei der Strafzumessung stellte der Vorsitzende Richter Philipp Stoll heraus, dass neben ihres bisher straffreien Lebens nur wenig zugunsten der Angeklagten spreche. Insbesondere hat der Senat nicht zugunsten der Angeklagten berücksichtigt, dass sich ihre Taten gegen (mutmaßliche) Rechtsextremisten gerichtet hätten. Einen Rechtsextremen zu verprügeln werde in Deutschland nicht milder bestraft als wenn es einen x-beliebigen Geschädigten treffe. Zu Lasten der Angeklagten wirkten sich insbesondere die schweren Verletzungen der Geschädigten sowie die ganz erhebliche kriminelle Energie der Angeklagten aus, die sich in der langen Planungsphase und dem erheblichen Aufwand bei der Tatausführung gezeigt habe.

Einleitend hatte Stoll klargestellt, dass es keine „gute“ politische Gewalt gebe. Man schlage keine anderen Menschen. Dies sei nur ausnahmsweise – wie etwa bei Notwehr – erlaubt. Die Angeklagte habe sich aber nicht in einer Notwehrlage befunden. Es gebe kein Recht, politische Gegner nach Belieben zu verprügeln. Die Angeklagte habe mit ihren Taten das Gewaltmonopol des Staates missachtet und habe sich damit verfassungsfeindlich verhalten. Letztlich habe sie sich auf dieselbe Stufe gestellt wie diejenigen, die sie bekämpfen wolle.

Der Senat beschloss zuletzt, dass der bestehende Haftbefehl aufrecht erhalten bleib. Die Angeklagte verbleibt damit in Untersuchungshaft.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Bundesanwaltschaft steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.

 

 

Dr. Laurent Lafleur
Leiter der Pressestelle für Strafsrachen
Richter am Oberlandesgericht