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Oberlandesgericht München

Oberlandesgericht München

Pressemitteilung 75 vom 20.10.2025

Strafverfahren gegen Quang Hao N. (32 Jahre) wegen des Verdachts des versuchten Totschlags „Schläge mit abgebrochenem Bierglas ins Gesicht“

Das Landgericht München I – Schwurgericht hat heute den Angeklagten wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren 3 Monaten Jahren verurteilt.

Einleitend hielt die Vorsitzende Richterin Elisabeth Ehrl fest, dass ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich, bei dem der Angeklagte sich ernsthaft entschuldigt, der Geschädigte diese Entschuldigung angenommen und ein angemessener Geldbetrag als Schadensersatz und Schmerzensgeld gezahlt werde, vor dem Schwurgericht eher selten sei. Sie hob hervor, dass der Geschädigte so jedenfalls einen materiellen Schadensersatz für die erlittenen Folgen erhalten habe und die Strafe des Angeklagten daher deutlich gemildert werden konnte. Der Angeklagte hat insgesamt 10.000 € an den Geschädigten gezahlt und sich zudem ausdrücklich bereit erklärt auch für spätere Folgeschäden noch aufkommen und hierfür ggf. ein erneutes Schmerzensgeld zahlen zu wollen. Auf dieser Grundlage habe der Geschädigte erklärt, dass er keine Rachegefühle gegenüber dem Angeklagten hege.

Nach einer siebentägigen Beweisaufnahme zeigte sich das Gericht davon überzeugt, dass sich der Angeklagte im Oktober 2024 bei einem zunächst friedlichen Zusammentreffen in einem Imbiss in der Münchener Innenstadt, in deren Rahmen der spätere Geschädigte einem Begleiter des Angeklagten anlasslos ein Bierglas auf den Kopf geschlagen hatte, mit zwei Biergläsern in der Hand nach draußen begab. Er wollte sich dabei für den Angriff auf seinen Begleiter revanchieren. Nachdem er ohne Fremdeinwirkung stürzte, zerbrachen die Biergläser, der Angeklagte behielt allerdings den Glasboden mit den spitzen und scharfen Scherben in der Hand. Sodann rannte er dem Geschädigten hinterher, der noch versuchte, den Angeklagten mit einem Fußtritt von sich fernzuhalten und schlug mit Wucht auf den Kopf des Geschädigten ein, um diesem eine Lektion zu erteilen. Anschließend fiel er bei einer Rangelei gemeinsam mit dem Geschädigten zu Boden. Dort nahm der Angeklagte den Geschädigten in den Schwitzkasten und schlug mehrfach mit der abgebrochenen Glasscherbe in die Richtung des Gesicht-, Hals- und Kopfbereichs des Geschädigten. Ein Schlag mit der Glasscherbe traf den Geschädigten an der rechten Kopfseite und durchtrennte die dort verlaufende Arteria temporalis vollständig. Bei seiner Vorgehensweise handelte der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz. Den herbeigeeilten Begleitern des Geschädigten und zwei unbeteiligten Zeugen gelang es, den Angeklagten vom Geschädigten zu trennen. Zweieinhalb Tage später stellte sich der Angeklagte auf Aufforderung der Mordkommission bei der Polizei.

Der Geschädigte erlitt zahlreiche stark blutende Verletzungen, die bis zur Schädelkalotte, zur Gesichtsmuskulatur und dem Nasenskelett reichten. Es bestand konkrete Lebensgefahr. Ohne zeitnahe medizinische Versorgung wäre der Geschädigte an den erlittenen Verletzungen verstorben.

Das Gericht stützte sich teilweise auf die Angaben des Angeklagten und insbesondere auf die der vernommenen unbeteiligten Zeugen.

In rechtlicher Hinsicht wertete die Kammer die Tat als versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung. Bei mehreren Schlägen mit einem zerbrochenen Bierglas in die Richtung des Kopfes, des Halses und des Gesichts, die schwerwiegende Verletzungen verursachten, sei  davon auszugehen, dass der Angeklagte erkannt habe, dass dies zu tödlichen Verletzungen führen könne. Nachdem der Angeklagte dennoch weiter auf den Geschädigten eingeschlagen habe, habe er dessen Tod auch billigend in Kauf genommen. Mordmerkmale habe der Angeklagte allerdings nicht erfüllt. Insbesondere sei die Tat nicht heimtückisch erfolgt, da der Geschädigte die körperliche Auseinandersetzung begonnen und auch mitbekommen habe, dass der Angeklagte auf ihn mit den zerbrochenen Biergläsern zu rannte und daher mit einem Angriff gerechnet habe. Der Angeklagte habe auch nicht aus niedrigen Beweggründen gehandelt. Nachdem der Angeklagte von der weiteren Tatausführung abgehalten wurde, konnte er nicht wirksam vom versuchten Totschlag zurücktreten. Da der Angeklagte ein äußerst gefährliches Werkzeug verwendete und der Geschädigte sich zudem in konkreter Lebensgefahr befand, war die Tat in gleich zweifacher Hinsicht als gefährliche Körperverletzung einzuordnen.

Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Gericht insbesondere den getroffenen Täter-Opfer-Ausgleich. Der Angeklagte habe sich persönlich entschuldigt und Verantwortung für die Tat übernommen. Über eine Verteidigererklärung hatte der Angeklagte jedenfalls den objektiven Sachverhalt eingeräumt. Zu seinen Lasten berücksichtigte die Kammer, dass das Tatmotiv letztlich einer Ausübung von Selbstjustiz nahegekommen sei. Auch die Auswirkungen der Tat auf den Geschädigten mit noch deutlich sichtbaren Narben im Gesicht wirkten sich negativ aus. Entscheidend sprach gegen den Angeklagten, dass es letztlich nur einem glücklichen Zufall zu verdanken war, dass der Geschädigte die Tat überlebt habe.

Zuletzt ordnete das Gericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft München I steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.

 

Dr. Laurent Lafleur
Leiter der Pressestelle für Strafsachen
Richter am Oberlandesgericht