Pressemitteilung 87 vom 14.11.2025
Strafverfahren gegen Wolfgang B. (78 Jahre) wegen des Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. (massiver Missbrauch eines Kindes in Brasilien)
Das Landgericht München I – 20. Große Strafkammer (Jugendschutzkammer) – hat nach einer umfangreichen Beweisaufnahme den Angeklagten wegen (schweren) sexuellen Missbrauchs von Kindern, Vergewaltigung, sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in insgesamt 22 Fällen und dem Besitz von kinderpornographischen Inhalten zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren 6 Monaten verurteilt. Dem Urteil ging eine fünfmonatige Beweisaufnahme voraus. Es wurden IT-forensische Gutachten, ein psychiatrisches Gutachten und rechtsmedizinische Gutachten erholt. Der Kammer ist es zudem gelungen, vier in Brasilien lebende Zeugen zu laden.
Der Vorsitzende Richter Matthias Braumandl hob zunächst die Bedeutung der Recherchen und der Berichterstattung einer Journalistin des Fernsehsenders RTL hervor, der es im konkreten Fall zu verdanken sei, dass ein Mensch, der ein Kind, jahrelang schwer missbraucht hat, nicht auf dem Viktualienmarkt mit Bier und Brezen in der Sonne sitze, sondern für sein Tun bestraft wird.
Nach dieser Hauptverhandlung geht das Gericht von folgendem Sachverhalt aus: Der Angeklagte, der im Tatzeitraum in Brasilien lebte, hat ab November 2019 ein zunächst noch 11jähriges brasilianisches Mädchen in jedenfalls 22 Fällen massiv sexuell missbraucht und seine Taten jeweils auf Video aufgezeichnet. Die Staatsanwältin hatte die Taten zutreffend so umschrieben, dass der Angeklagte das geschädigte Kind wie eine „lebende Sexpuppe“ „benutzt“ habe. Ein Video sei von dem geschädigten Kind heimlich angefertigt worden. Das Mädchen war dem Angeklagten von ihrem Bruder und ihrer Mutter gegen Zahlung von Geld überlassen worden.
Rechtlich würdigte die Kammer die Taten als (schweren) sexuellen Missbrauchs von Kindern, Vergewaltigung, sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in insgesamt 22 Fällen und als Besitz von kinderpornographischen Inhalten. In scharfen Worten kritisierte der Vorsitzende die wiederholte Erklärung des Angeklagten, wonach das Kind schon vor seinen Taten sexuelle Erfahrungen gemacht habe. Braumandl wies darauf hin, dass dies für die Verwirklichung des Straftatbestandes keine Bedeutung habe.
Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Gericht das Geständnis des Angeklagten, der den Sachverhalt, soweit er auf den Video zu sehen war, eingeräumt hatte; Braumandl wies aber darauf hin, dass der Angeklagte nur das eingeräumt habe, was ohnehin alle hätten sehen können. Es sei gut möglich, dass der Angeklagte von der Familie des geschädigten Kindes mit der Veröffentlichung des Videos erpresst worden sei. Braumandl dazu: „Wenn man nicht erpresst werden möchte, empfiehlt es sich halt auch, keinen Sex mit Kindern zu haben“. Zu Lasten des Angeklagten wertete die Kammer die massive Erniedrigung des geschädigten Kindes durch Ausstaffieren, Anfertigen der Filme, Schläge und die Behandlung als „lebendiges Sexspielzeug“. Die sexuellen Handlungen des Angeklagten seien zudem ohne Kondom vorgenommen worden.
Der Angeklagte hatte in seinem letzten Wort geäußert, dass er seine Taten nicht erklären, sondern nur bereuen könne. Der Vorsitzende Richter übernahm diese Erklärung abschließend für ihn: „Sie wollten es, Sie konnten es, es gefiel Ihnen und Sie machten es. Sie wollten Sex mit diesem Kind, obwohl sie nicht pädophil sind, hatten keinerlei Skrupel und haben es für sich selbst – für niemanden sonst und nur für Sie selbst – geschafft, ihre Handlungen zu rechtfertigen. In einer fast schon kindlich anmutenden Selbsttäuschung.“
Zuletzt ordnete das Gericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft München I steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.
Dr. Laurent Lafleur
Leiter der Pressestelle für Strafsachen
Richter am
Oberlandesgericht