Amtsgericht Neu-Ulm
21.07.2022

Bayern und Niedersachsen starten gemeinsames Forschungsprojekt mit der Universität Regensburg zur Modernisierung des Zivilprozesses / Strukturierungssoftware für den Parteivortrag soll an Gerichten in Bayern und Niedersachsen erprobt werden / Bayerns Justizminister Eisenreich: "Eine Strukturierung des Parteivortrags im Zivilprozess schont Ressourcen auf Seiten der Justiz und der Anwälte."

Die Gerichte sind mit Dieselverfahren, Fluggastklagen, Widerrufen von Darlehensverträgen und zahlreichen anderen Massenverfahren stark belastet. Die Gerichte müssen sich zum Teil mit nicht auf den konkreten Einzelfall bezogenem Parteivortrag auseinandersetzen. Hier setzt ein von Bayern gemeinsam mit Niedersachsen gestartetes Forschungsprojekt der Universität Regensburg an: Es soll erprobt werden, in welchen Fällen und in welcher Ausgestaltung Vorgaben für die Strukturierung des Parteivortrags Vorteile für das Verfahren und die Prozessbeteiligten bringen können.

Der bayerische Justizminister Georg Eisenreich: "Auf Initiative Bayerns hat die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister mehrfach ein umfassendes rechtspolitisches Reformpaket des Bundes für den Zivilprozess angemahnt. Leider ist das Bundesjustizministerium bisher nur punktuell tätig geworden. Das reicht nicht. Wir müssen auch die komplexen Themen in Angriff nehmen – wie die Strukturierung des Parteivortrags. Eine Strukturierung des Parteivortrags im Zivilprozess schont Ressourcen auf Seiten der Justiz und der Anwälte. Wie das am besten gelingt, kann erst die Praxis zeigen. Die Sichtweisen der Anwaltschaft sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie die der Richterinnen und Richter. Gemeinsam mit Niedersachsen starten wir deshalb ein Reallabor, bei dem der Prototyp einer Strukturierungssoftware in Gerichtsverfahren erprobt wird."

Die niedersächsische Justizministerin Havliza: "Niedersachsen beteiligt sich gerne an der Entwicklung guter Ideen und Lösungen. Aus der Praxis hören wir immer wieder den Wunsch, mit hilfreichen Instrumenten einen umfangreichen Parteivortrag von vorn herein besser strukturieren zu können. Das gilt besonders für die Massenverfahren. Unser gemeinsames Ziel ist deshalb die Entwicklung einer Software, die es möglich macht, den Sachverhalt eines Gerichtsverfahrens rechtlich und tatsächlich strukturiert aufzubereiten. Die Erwartungen der künftigen Nutzer sollen dabei der Maßstab für die Entwicklung sein."

Das Reallabor wird gemeinsam von den Justizministerien Bayerns und Niedersachsens mit den Lehrstühlen für Deutsches Verfahrensrecht (Prof. Dr. Althammer) und für Medieninformatik (Prof. Dr. Wolff) der Universität Regensburg durchgeführt. An der Universität Regensburg wurden hierzu bereits im vergangenen Jahr umfangreiche Vorarbeiten geleistet. In ausgewählten Zivilverfahren soll nach Entwicklung eines Prototyps im Jahr 2023 erprobt werden, in welcher Ausgestaltung und in welchen Fällen eine strukturierte Aufbereitung des Prozessstoffs für das Verfahren und die Parteien vorteilhaft ist. Das Projekt soll ergebnisoffen unter Einbeziehung der Sichtweisen aller Betroffenen geführt werden.

Justizminister Eisenreich abschließend: "Dieses Projekt soll erproben, ob sich Lösungen finden lassen, die für Gerichte, die Anwaltschaft und die Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen hilfreich sind. Ein Werkzeug, mit dem Massenverfahren oder andere komplexe Verfahren effizienter und schneller bearbeitet werden können, hilft allen."

Havliza abschließend: "Der Startschuss für die Vorbereitungsphase ist bereits gefallen. Ab 2024 soll das Reallabor sodann an Gerichten in Bayern und Niedersachsen stattfinden. Wir wünschen uns die Erprobung an Landgerichten in erster Instanz. Dadurch wird deutlich: Es wird am Ende eine Lösung von Praktikern für Praktiker – mit Unterstützung der Wissenschaft."

Hintergrund:

Auf der Frühjahrskonferenz am 1. und 2. Juni 2022 hat die 93. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister unter TOP I. 6 festgestellt, dass die in Massenverfahren oft von nicht auf den konkreten Einzelfall bezogenem Parteivortrag geprägten Schriftsätze einen erheblichen gerichtlichen Aufwand bei der Sachverhaltserfassung verursachen. Die Länder setzen sich deshalb für Überlegungen ein, wie in diesen Fällen Strukturvorgaben für einen einzelfallbezogenen und konzentrierten Parteivortrag helfen können.

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