Amtsgericht Neu-Ulm
12.11.2020

Bundesverwaltungsgericht hat zum Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen entschieden, dass es in der Vergangenheit keine "ausreichende formelle Rechtsgrundlage" gab / Bayerns Justizminister Eisenreich: "Diese Lücke wurde durch eine Gesetzesänderung bereits geschlossen. Seit April 2018 gilt in Bayern: Wer richterliche oder staatsanwaltschaftliche Aufgaben wahrnimmt, darf religiöse Symbole nicht sichtbar tragen"

Das Bundesverwaltungsgericht hat heute (12. November) über die Revision einer ehemaligen Rechtsreferendarin gegen das Verbot, bei bestimmten dienstlichen Tätigkeiten ein Kopftuch zu tragen, entschieden. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich: "Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt, dass für ein Kopftuchverbot gegenüber einer Rechtsreferendarin in der Vergangenheit keine ausreichende formelle Rechtsgrundlage bestanden hat."

Der Minister weiter: "Diese Lücke wurde durch eine Gesetzesänderung bereits geschlossen. Im Bayerischen Richter- und Staatsanwaltsgesetz ist seit April 2018 ausdrücklich klargestellt, dass Richter und Staatsanwälte keine religiös oder weltanschaulich geprägte Kleidung oder Symbole sichtbar tragen dürfen, die Zweifel an ihrer Unabhängigkeit, Neutralität oder ausschließlichen Bindung an Recht und Gesetz hervorrufen können. Dies gilt auch für Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare, soweit sie richterliche oder staatsanwaltschaftliche Aufgaben wahrnehmen und damit gegenüber dem Bürger als Repräsentanten staatlicher Gewalt auftreten." Dass eine solche Regelung zulässig ist, sei durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2020 geklärt. Eisenreich: "Es wird in Bayern daher auch künftig keine Rechtsreferendarinnen geben, die auf der Richterbank, beim staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienst oder bei sonstigen hoheitlichen Tätigkeiten ein Kopftuch tragen."

Hintergrund:

  • Eine muslimische Rechtsreferendarin hatte beim Verwaltungsgericht Augsburg gegen das Kopftuch-Verbot auf der Richterbank geklagt und 2016 zunächst Recht bekommen.
  • Der Freistaat legte gegen das Urteil erfolgreich Berufung ein. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hob die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg mit Urteil vom 6. März 2018 auf. Begründung: Die Auflage habe nicht auf eine Herabwürdigung einer bestimmten Religion abgezielt, sondern lediglich die Wahrung der staatlichen Neutralitätspflicht bezweckt, der auch Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben unterlägen. Die ordnungsgemäße Ausbildung der Referendarin sei hierdurch nicht nennenswert berührt worden.
  • Die ehemalige Referendarin ging in Revision. Heute (12. November 2020) wurde ihrer Klage vom Bundesverwaltungsgericht stattgegeben.
  • Der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts liegt noch die Rechtslage von 2014 zu Grunde. Seit Erlass des Bayerischen Richter- und Staatsanwaltsgesetzes (BayRiStAG) vom 22. März 2018 gibt es in Bayern eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für ein Verbot des Tragens von Kleidungsstücken mit religiösen Symbolen (vgl. Art. 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayRiStAG):
    "Richter und Richterinnen dürfen in Verhandlungen sowie bei allen Amtshandlungen mit Außenkontakt keine sichtbaren religiös oder weltanschaulich geprägten Symbole oder Kleidungsstücke tragen, die Zweifel an ihrer Unabhängigkeit, Neutralität oder ausschließlichen Bindung an Recht und Gesetz hervorrufen können. Satz 1 gilt für Staatsanwälte und Staatsanwältinnen sowie Landesanwälte und Landesanwältinnen entsprechend."
    Das gilt auch für Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare (vgl. Art. 57 BayAGGVG):
    "Nimmt ein Rechtspfleger oder ein Rechtsreferendar ihm übertragene richterliche oder staatsanwaltschaftliche Aufgaben wahr, gilt Art. 11 des Bayerischen Richter- und Staatsanwaltsgesetzes entsprechend."
  • Dass eine solche Regelung zulässig ist, ist durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2020 (Az. 2 BvR 1333/17) mittlerweile höchstrichterlich bestätigt.
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