Amtsgericht Neu-Ulm
17.06.2021

Grundsatzerklärung der Justizministerkonferenz gegen Antisemitismus auf bayerische Initiative / Justizminister Eisenreich: "Wir tragen in Deutschland eine besondere Verantwortung, den Judenhass an den Rändern, in der Mitte der Gesellschaft und unter Zuwanderern zu erkennen, zu benennen und zu bekämpfen"

In Europa, in Deutschland und auch in Bayern nehmen judenfeindlich motivierte Straftaten zu. So verzeichnete das Bundesinnenministerium von 2016 bis 2020 einen Zuwachs von fast 60 Prozent bei antisemitisch motivierten Straftaten. Der Antisemitismus kommt aus allen gesellschaftlichen Gruppen: von rechts, von links, aus der Mitte der Gesellschaft und von Zuwanderern. Die Corona-Pandemie hat die Lage verschärft.

Bayern will antisemitisch motivierte Straftaten noch besser bekämpfen und hat dazu einen Antrag bei der gestrigen Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminister (16. Juni) vorgelegt, der einstimmig angenommen wurde:

  • Grundsatzerklärung der Justizministerkonferenz: Bayerns Justizminister Georg Eisenreich: "Wir tragen in Deutschland eine besondere Verantwortung, den Judenhass an den Rändern, in der Mitte der Gesellschaft und unter Zuwanderern zu erkennen, zu benennen und zu bekämpfen." Die Verfolgung antisemitischer Straftaten soll grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegen. Verweisungen auf den Privatklageweg und Einstellungen von Strafverfahren wegen Geringfügigkeit kommen nur in Ausnahmefällen in Betracht. Eisenreich: "Diese bayerische Praxis haben wir zur bundesweiten Anwendung vorgeschlagen. Es muss klar sein: Antisemitische Straftaten werden konsequent verfolgt."
  • Entschlossenes Vorgehen der Staatsanwaltschaften: Mit dem Antrag soll das Dunkelfeld der Straftaten weiter erhellt werden. In Bayern gibt es dazu seit Mai 2020 einen Leitfaden für Staatsanwälte. Er soll den Strafverfolgern dabei helfen, judenfeindliche Motivation bei Straftaten noch besser zu erkennen. Anhaltspunkte sind z.B. Nazi-Codes, Jahrestage oder jüdische Feiertage. Der Leitfaden wurde bereits von einigen Bundesländern angefordert.

  • Reform des Beleidigungsstrafrechts: Bayern hatte sich bereits mit Erfolg für eine strafschärfende Wirkung bei antisemitisch motivierten Straftaten eingesetzt (§ 46 Strafgesetzbuch). Doch das allein reicht nicht aus, um dem besonderen Unrecht judenfeindlich motivierter Straftaten gerecht zu werden. Die Bundesjustizministerin wird aufgefordert, für die Tatbestände der Beleidigung (§ 185 StGB), der üblen Nachrede (§ 186 StGB) und der Verleumdung (§ 187 StGB) eine Möglichkeit der Strafverfolgung von Amts wegen (mit Widerspruchsrecht des Verletzten) statt wie bisher nur nach Strafantrag und höhere Strafen zu prüfen. Dies soll für Fälle gelten, in denen die Tat einen rassistischen, fremdenfeindlichen, antisemitischen oder sonstigen menschenverachtenden Inhalt hat oder von derartigen Beweggründen getragen ist. Bayern hat dazu bereits einen Diskussionsentwurf vorgelegt.

Eisenreich weiter: "Es darf in Deutschland keinen Platz für Judenhass geben. Aus dieser Überzeugung führt die bayerische Justiz den Kampf gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus entschlossen und konsequent mit einem Bündel an Maßnahmen."

Maßnahmenpaket:

  • Dazu gehört auch Deutschlands erster Hate-Speech-Beauftragter, der vom bayerischen Justizminister im Januar 2020 zentral für ganz Bayern bestellt wurde und die Einrichtung von Sonderdezernaten für die Bekämpfung von Hate Speech bei allen 22 bayerischen Staatsanwaltschaften.

  • Bei den drei Generalstaatsanwaltschaften des Landes wurden Antisemitismus-Beauftragte ernannt.

  • Die Verfolgung antisemitischer Straftaten liegt grundsätzlich im öffentlichen Interesse. Verweisungen auf den Privatklageweg und Einstellungen wegen Geringfügigkeit kommen daher nur in Ausnahmefällen in Betracht.

  • Bayern hat als erstes Bundesland die IHRA-Arbeitsdefinition für Antisemitismus angenommen. Die Staatsanwaltschaften wurden darauf hingewiesen, dass für die Frage nach dem Vorliegen einer antisemitischen Straftat die Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) maßgeblich ist.

  • Den Staatsanwaltschaften wurde der Leitfaden "Antisemitische Straftaten erkennen" zur Verfügung gestellt.

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