Amtsgericht Neu-Ulm
16.04.2021

Bayern treibt den Einsatz von Video-Technik in den Gerichten voran / Seit Jahresbeginn wurden mehr als 539 Verhandlungen allein an dem Amts- und den Landgerichten in München digital geführt / Justizminister Eisenreich: "Während der Corona-Pandemie wurde die Digital-Offensive in der Justiz weiter verstärkt"

Die Corona-Pandemie hat auch die bayerische Justiz vor gewaltige Herausforderungen gestellt. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich: "Es ist unsere Aufgabe, die Funktionsfähigkeit der Justiz aufrechtzuerhalten und zugleich die Gesundheit aller Beteiligten zu schützen." Bayern hat bereits 2018 damit begonnen, mobile Videokonferenzanlagen für seine Gerichte und Staatsanwaltschaften zentral zu beschaffen. Eisenreich: "Während der Corona-Pandemie wurde die Digital-Offensive in der Justiz weiter verstärkt. Von Januar bis Ende März dieses Jahres wurden allein an dem Amts- und bei den Landgerichten in München mehr als 539 Verfahren digital geführt."

1. Videoverhandlungen

Zum Ausbau der Video-Verhandlungen in den Gerichten setzt die bayerische Justiz auf ein Zwei-Säulen-Konzept:

  • Säule 1: Videokonferenzanlagen für alle bayerischen Gerichte.
    Bayernweit stehen derzeit 82 Videokonferenzanlagen zur Verfügung (Stand: 1. April 2021). Justizminister Eisenreich kündigt an: "Die Bereitschaft der bayerischen Justiz, sich auf die Digitalisierung einzulassen, ist groß. Wir wollen weiter massiv in die technische Ausrüstung investieren. Bis Ende Juni dieses Jahres sollen alle 99 bayerischen Gerichte mit Videokonferenzanlagen ausgestattet sein." Auch bei den drei Generalstaatsanwaltschaften steht jeweils eine Anlage zur Verfügung.
     
  • Säule 2: Freigabe des Einsatzes von Microsoft Teams nach erfolgreicher Pilotierung.
    Das Konferenz-Tool Microsoft Teams wurde zu Beginn der Corona-Pandemie in die bayerische Justiz eingeführt, um die virtuelle Zusammenarbeit zu verstärken. Die ersten Pilotgerichte für den Einsatz von Teams für Verhandlungen waren ab Sommer 2020 die Landgerichte München I, Nürnberg-Fürth und Würzburg. Es folgte das Amtsgericht München. Justizminister Eisenreich: "Allein das Amtsgericht München führte von Januar bis März 2021 bereits 256 Verhandlungen über Teams. Nach der erfolgreichen Pilotphase wird der Einsatz jetzt bayernweit freigegeben."
     

2. Elektronischer Rechtsverkehr
 

Aktuell gehen bei Bayerns Gerichten 65 000 elektronische Nachrichten pro Woche ein. Der elektronische Rechtsverkehr wurde in zivil-, straf- und familienrechtlichen Verfahren im Oktober 2017 bzw. Januar 2018 eröffnet, bei den Gerichtsvollziehern im Januar 2018. 75 000 Nachrichten werden umgekehrt wöchentlich von den Gerichten versendet. Minister Eisenreich: "Zwischenzeitlich ist bei allen bayerischen Gerichten die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs abgeschlossen. Auf das Jahr gerechnet werden derzeit 7,2 Millionen Nachrichten elektronisch ausgetauscht. Ich rechne mit einem weiteren Anstieg des virtuellen Datenvolumens. Denn ab 2022 sind professionelle Prozessbeteiligte verpflichtet, Schriftsätze und Anlagen elektronisch einzureichen."
 

3. Elektronische Akte

Bis 2026 ist die elektronische Akte bei allen deutschen Gerichten einzuführen. In Bayern wurde die E-Akte bereits an den Landgerichten Coburg, Landshut und Regensburg sowie an den Amtsgerichten Straubing und Dachau erfolgreich pilotiert. In Kürze folgen das Oberlandesgericht München und das Amtsgericht Regensburg. Noch im Laufe dieses Jahres soll die E-Akte in Zivilverfahren an acht weiteren bayerischen Landgerichten die Regel sein.

Eisenreich abschließend: "Unsere Welt wird immer digitaler. Wir wollen die Chancen der Digitalisie­rung nutzen, ohne die Risiken aus dem Blick zu verlieren."
 

4. Rechtspolitik – Modernisierung der Prozessordnungen

  • Zivilverfahren
    Der Zivilprozess soll noch besser fit gemacht werden für die Anforderungen des digitalen Zeitalters. Mehrere Arbeitsgruppen der Landesjustizverwaltungen und die Arbeitsgruppe "Modernisierung des Zivilprozesses" unter dem Vorsitz des Präsidenten des Oberlandesgerichts Nürnberg, Dr. Thomas Dickert, haben ein Bündel von Reformansätzen erarbeitet. Auf Initiative Bayerns hat sich die Justizministerkonferenz im vergangenen Herbst dafür ausgesprochen, dass das Bundesjustizministerium eine Kommission zu dem Reformvorhaben einsetzen soll. Minister Eisenreich: "Die Justiz ist für die Menschen da. Wir müssen die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, um den Zivilprozess der Zukunft noch bürgernäher und effizienter zu gestalten. Die Zivilprozessordnung ist für die Papierakte geschrieben worden, nicht für die E-Akte."

  • Strafverfahren
    Im geltenden Recht gibt es bereits Möglichkeiten für den Einsatz von Video-Technik, aber Eisenreich sieht noch Verbesserungsbedarf. Der Justizminister fordert, die Möglichkeiten für den Video-Einsatz im Strafverfahren zu erweitern: "Wenn Zeugen wegen Quarantänemaßnahmen, Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe oder Reisebeschränkungen nicht im Gerichtssaal erscheinen können, sollten sie in der Hauptverhandlung per Video vernommen werden können."
     

Hintergrund zur Digitalisierung an dem Amts- und bei den Landgerichten in München:
 

Landgericht München I

  • Mit einer Videokonferenzanlage wurden von Januar bis März 2021 107 Verhandlungen geführt. Seit April 2021 steht eine zweite Videokonferenzanlage für das Justizgebäude am Lenbachplatz zur Verfügung.

  • Dazu gab es 48 Verhandlungen über "Microsoft Teams".

  • Für Rechtsanwältinnen und -anwälte wurden 15 virtuelle Informationsveranstaltungen durchgeführt, an denen insgesamt 155 Anwälte teilgenommen haben.

Landgericht München II

  • 105 Verfahren wurden über die Videokonferenzanlage geführt. Die Dauer lag zwischen 45 Minuten und sechs Stunden, die Arzthaftungskammer beispielsweise verhandelt inzwischen häufig vollständig virtuell.

  • Dazu kommen weitere Video-Verhandlungen über Teams.

  • Dem Landgericht München II ist darüber hinaus eine zweite Videokonferenzanlage zugesagt.

Amtsgericht München

  • 52 Zivilrichterinnen und -richter haben im ersten Quartal 2021 insgesamt 256 Video-Verhandlungen per Teams geführt.

  • 48 % (122) davon waren allgemeine Zivilverfahren, 28 % (72) familiengerichtliche Verfahren, 19 % (48) Verkehrsverfahren, 5 % (14) Mietangelegenheiten.

  • Dem Amtsgericht stehen drei Videokonferenzanlagen zur Verfügung (die Verfahrenszahlen werden insoweit nicht erfasst).

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