Amtsgericht Neu-Ulm
20.11.2009

Den Symptomen auf den Grund gehen - Lösungen zur Stärkung des Anlegerschutzes und zur Sicherung des Finanzsystems

Forum "Verbraucher, Finanzen, Vertrauen" des Bayerischen Justiz- und Verbraucherschutzministeriums am 19. November 2009 liefert gelungenen Auftakt für Runden Tisch zum Anlegerschutz.

Bayerns Justiz- und Verbraucherschutzministerin Dr. Beate Merk hatte am 19. November 2009 zum Forum "Verbraucher, Finanzen, Vertrauen" eingeladen. Namhafte Experten aus Wissenschaft und Praxis diskutierten unter der Moderation von Frank Pöpsel, Chefredakteur von Focus-Money, über die Lehren aus der aktuellen Finanzmarktkrise.

Ministerialdirigent Dr. Thomas Dickert, zuständiger Abteilungsleiter für den Verbraucherschutz, betonte die Notwendigkeit eines Miteinanders aller Beteiligten bei der Suche nach neuen Lösungen. Mit Blick auf den besonders riskanten, jedoch weitgehend ungeregelten Grauen Kapitalmarkt forderte Dickert: "Es müssen für alle Anlageprodukte vergleichbare gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Besonderer Handlungsbedarf besteht außerdem bei der Sicherstellung einer ausreichenden Qualifikation von Beratern und Vermittlern."

Prof. Dr. Thomas Möllers von der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg, Experte im Kapitalmarktrecht, zeigte einige Schwachstellen der bestehenden gesetzlichen Regelungen auf. Dabei machte er unter Hinweis auf die Verluste von Banken und Kommunen mit riskanten Anlagen deutlich, dass nicht nur Kleinanleger, sondern auch institutionelle Anleger in den Blick genommen werden müssen. Ein erhebliches Problem stellen nach seiner Ansicht unrichtige Finanzanalysen dar, gegen die die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bislang nicht entschieden genug vorgegangen sei. Weiter hätten einzelne Finanzprodukte eine Komplexität erreicht, die selbst von professionellen Anlegern nicht mehr verstanden würde. Es müsse daher auch darüber diskutiert werden, ob für einzelne Produkte nicht auch ein Verbot eines Verkaufs an Privatanleger in Frage komme. Auf alle Fälle sei die Gefährlichkeit von Finanztermingeschäften deutlich zu machen. Eine überbordende Informationsflut, die zu Lasten von Verbrauchern und Unternehmen gehe, sei durch Verständlichkeit und Kürze zu ersetzen.

Einen kritischen Blick auf das Finanzmarktsystem warf Dr. Dirk Solte vom Forschungsinstitut für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung in Neu-Ulm. Sein Vortrag machte das Missverhältnis zwischen der weltweiten realen Wertschöpfung und dem Wertpapier- bzw. Kreditvolumen deutlich. Als notwendige Maßnahme zur Sicherung einer nachhaltigen sozialen Marktwirtschaft schlug er die Einführung einer Maximalreserve für Kreditinstitute und institutionelle Anleger vor, aus deren Überschüssen ein Absicherungsfonds zur Vermeidung von Liquiditätsengpässen finanziert werden sollte. Außerdem sprach er sich für eine "Mehrgeldsteuer" auf Finanzprodukte aus, womit die zusätzlichen öffentlichen Mittel geschaffen würden, um das Geldsystem auf Dauer zu stabilisieren.

Für den Genossenschaftsverband Bayern unterstrich dessen Vorsitzender Dr. Stephan Götzl die gemeinsame Verantwortung aller Beteiligten. Die Forderung, dass der Graue Kapitalmarkt der staatlichen Aufsicht unterstellt werden müsse, unterstützte er ausdrücklich. Dessen ungeachtet warnte er die Politik vor Schnellschüssen, um eine weitere Bürokratisierung der Finanzberatung zu verhindern. Andernfalls sehe er die Gefahr, dass sich die Banken zunehmend aus der Anlageberatung zurückzögen und die Anleger auf den deutlich riskanteren Weg der Direkt- und Online-Bestellung von Geldanlagen auswichen.

Ist eine Standardisierung von Finanzprodukten zum Schutz der Anleger erforderlich? Während über die Notwendigkeit eines standardisierten, knappen und verständlichen Produktinformationsblattes weitgehend Einigkeit bestand, wurde die Frage nach einer Produktstandardisierung bei der anschließenden Podiumsdiskussion sehr kontrovers beurteilt. Prof. Dr. Günther Picker vom Bayerischen Bankenverband sprach sich entschieden gegen eine Beschränkung der Produktvielfalt auf den Finanzmärkten aus. Unterstützung erfuhr er durch seinen Kollegen vom Sparkassenverband, Rudolf Faltermeier, der in Zweifel zog, dass eine einzelne Prüfstelle in der Lage sei, alle Finanzprodukte auf eine mögliche Beschränkung hin zu kontrollieren oder zu zertifizieren. Dem hielt Manfred Westphal vom Verbraucherzentrale Bundesverband entgegen, dass vom Anleger nicht erwartet werden könne, sich einen Überblick über die rund 800.000 Finanzprodukte zu verschaffen, die derzeit vertrieben werden. Auch müssten die für den Kleinanleger angebotenen Finanzprodukte insgesamt weniger komplex werden.

Einen anderen Weg schlug Rechtsanwältin Daniela Bergdolt ein, die vor allem in der Stärkung des Rechtsschutzes einen wirkungsvollen Hebel für eine bessere Beratung und Aufklärung beim Kauf von Finanzanlagen sah. Nach ihrer Auffassung sollte die Beweislast für eine ordnungsgemäße Beratung beim Finanz- bzw. Anlageberater liegen. Außerdem dürften Schadensersatzansprüche nicht durch unangemessen kurze Verjährungsfristen, wie beispielsweise nach den Bestimmungen des Börsengesetzes, zur Haftung bei fehlerhaften Prospekten praktisch ausgeschlossen werden.

Zum Abschluss der Podiumsdiskussion demonstrierten die Teilnehmer Einigkeit sowohl in ihren Forderungen nach einer Regulierung des Grauen Kapitalmarktes als auch in ihrer Überzeugung, dass sich das dreigliedrige Bankensystem Deutschlands - also Genossenschaftsbanken, Privatbanken und Sparkassen - in der Finanzmarktkrise bewährt habe.

Das Forum "Verbraucher, Finanzen, Vertrauen" bildete den Auftakt für eine Reihe von Expertentreffen. Dieser "Runde Tisch" wird wichtige Impulse für die konkrete Umsetzung der diskutierten Forderungen zur Stärkung des Anlegerschutzes bringen und bereits am 2. Dezember 2009 zum ersten Mal in den Räumen des Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zusammen kommen.

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