Amtsgericht Neu-Ulm
27.11.2013

Bayerns Justizminister berichtet im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst zum sog. Schwabinger Kunstfund / Bausback: "Höchste Sorgfalt und Transparenz!"

Bayerns Justizminister Prof. Dr. Winfried Bausback hat heute im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst des Bayerischen Landtags zum sog. Schwabinger Kunstfund berichtet. Bausback bei diesem Anlass: "Die Ermittlungen berühren die dunkelsten Zeiten deutscher Geschichte und sie offenbaren nicht - oder jedenfalls nicht hinreichend - aufgearbeitetes NS-Unrecht. An der Aufdeckung möglichen NS-Unrechts haben die Bundesrepublik Deutschland, aber auch mögliche Opfer ein berechtigtes Interesse. Dies muss und wird mit höchster Sorgfalt und Transparenz geschehen."

Bausback, der im Landtag anhand der Berichte an das Justizministerium den Gang des Ermittlungsverfahrens darstellt, soweit dies unter Berücksichtigung insbesondere der Rechte des Beschuldigten und des Steuergeheimnisses rechtlich möglich ist, erinnert auf der einen Seite daran, dass die strafprozessualen Verfahrensrechte von Herrn Gurlitt eingehalten werden müssten. Zu Kritik daran, dass der Kunstfund erst kürzlich veröffentlicht wurde, erklärt er in diesem Zusammenhang: "Ausgangspunkt ist kein bloßer "Kunstfund", sondern eine strafprozessuale Zwangsmaßnahme im Rahmen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens." Grund für die bisherige Nichtveröffentlichung seien für die Staatsanwaltschaft vor allem kriminaltaktische Erwägungen, das Steuergeheimnis, die Unschuldsvermutung, die zivilrechtliche Eigentumsvermutung zugunsten des Beschuldigten und der Aspekt der Sicherheit der wertvollen Sammlung gewesen.

Auf der anderen Seite streicht Bausback die über das Ermittlungsverfahren hinaus gehende Bedeutung der Abklärung der Herkunft der Bilder heraus: "Mit dieser Provenienzrecherche wird auch die entscheidende Grundlage dafür geschaffen, dass NS-Opfer den Verbleib ihrer Kunstwerke klären können", so Bausback heute im Landtag. Dies sei Aufgabe der Provenienzrecherche, zu der Bund und Länder gemeinsam verpflichtet sind.

Der Minister räumt dabei unumwunden ein: "Aus heutiger Sicht ist zu kritisieren, dass die beteiligten Stellen des Bundes und des Freistaates - und damit meine ich auch mein Haus - nicht früher und nachhaltiger darauf hingewirkt haben, dass die Sachverständige mehr Manpower zur schnelleren Aufklärung erhält. Auch wenn es in Strafverfahren üblich ist, nicht mehrere Sachverständige mit demselben Thema zu befassen: Bund und Länder hätten hier früher mehr Experten an die Provenienzrecherche setzen müssen, um in kurzer Zeit zu validen Ergebnissen zu kommen." Der Minister erläutert in diesem Zusammenhang, dass die Staatsanwaltschaft bereits während der Durchsuchung Anfang März 2012 das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen in Berlin über den Fund und die Hintergründe in Kenntnis gesetzt und noch im März 2012 Kontakt zu einem Vertreter des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgenommen und ihm auch das Sicherstellungsverzeichnis und die Lichtbilddateien der beschlagnahmten Kunstwerke zugeleitet hat.

Bausback weiter: "Die Provenienzrecherche ist der Dreh- und Angelpunkt für die Vorfragen in dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren - vor allem auch für die im Zentrum stehende Frage: Wem gehören diese Bilder?. Gehören sie Herrn Gurlitt oder gehören sie entrechteten jüdischen Opfern und deren Nachfahren oder aber gehören sie der Bundesrepublik Deutschland?" Eine öffentliche Provenienzrecherche sei aber rechtlich erst möglich, wenn und soweit die Eigentumsvermutung für jedes einzelne Bild durch die sachverständige Begutachtung erschüttert sei.

"Angesichts der herausragenden Bedeutung dieses Falles muss die Provenienzrecherche jetzt rasch zu Ergebnissen geführt werden", so Bayerns Justizminister heute im Landtag. "Deswegen habe ich unmittelbar nachdem ich von dem Fall Kenntnis erhielt veranlasst, dass mein Haus eine Bund-Land-Besprechung durchführt mit unserem Wissenschaftsministerium, dem Bundesfinanzministerium, dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und der Koordinierungsstelle Magdeburg. Bund und Land haben bei dieser Besprechung am 08.11.2013 im Münchner Justizpalast einen Maßnahmenkatalog vereinbart. Neben der sicheren Verwahrung in staatlicher Obhut ging es vor allem darum, gemeinsam eine qualifizierte Task Force von mindestens sechs Expertinnen und Experten für Provenienzrecherche unter Leitung von Frau Dr. Berggreen-Merkel einzurichten."

Der Minister weiter: "Zu dieser Task Force leisten Bund und Land gemeinsam Beiträge. Mein Haus und die Staatsanwaltschaft stehen mit der Task Force im engen Kontakt. Wir haben einen Staatsanwalt hierfür zur Verfügung gestellt. Er wird sie in juristischen Fragen unterstützen und den kurzen Draht zur Staatsanwaltschaft in Augsburg halten."

Zur Frage, um welche Werke es gehe, erklärt der Minister: "Nach dem Zwischenbericht der Sachverständigen Hoffmann vom 11. November 2013 handelt es sich um insgesamt 1.280 Werke, von denen nach Einschätzung der Sachverständigen 977 Werke auf ihre Herkunft genau zu überprüfen sind. Bei dem Rest der Werke steht nach Einschätzung der Sachverständigen das Eigentum der Familie Gurlitt nicht in Frage."

"Wegen genau dieser Werke aus dem Eigentum des Herrn Gurlitt ist die Staatsanwaltschaft Augsburg in der letzten Woche an die Task Force herangetreten", so der bayerische Justizminister. "Sie hat gebeten, die Kunstobjekte, die im Eigentum des Beschuldigten stehen, so schnell wie möglich zu benennen, damit sie dem Beschuldigten zur Rückgabe angeboten werden können. Denn hier geht es nach Einschätzung der Sachverständigen Dr. Hoffmann nicht um Raubkunst oder entartete Kunst, sondern z.B. um Bilder, die von den Künstlern aus der Familie Gurlitt gemalt wurden bzw. nach 1945 entstanden sind. Diese Bilder sind nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft auch nicht als Beweismittel erforderlich." Das Recht gebiete es unter diesen Umständen, Herrn Gurlitt dieses Privateigentum zurückzugeben.

Zu den übrigen Bildern, bei denen das Eigentum zweifelhaft ist, erläutert der Minister: "Von den zu untersuchenden 977 Werken sind nach Einschätzung der Sachverständigen 384 Werke der sog. entarteten Kunst zuzurechnen - also Bilder, die von den Nazis 1937 bei der "Aktion entartete Kunst" in Museen beschlagnahmt wurden. Bei 593 Werken sei zu prüfen, ob es sich um sog. "NS-Raubkunst handelt", also Werke, die jüdischen Mitbürgern geraubt oder abgenötigt wurden. Nach Entscheidung der Task Force wird zur Klärung der Provenienz und der Eigentumsverhältnisse eine Veröffentlichung dieser 593 Werke im Internet erfolgen. Denn bei diesen Bildern steht Deutschland insbesondere gegenüber den jüdischen Opfern des NS-Unrechts in ganz besonderer historischer Verantwortung!"

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