Amtsgericht Neu-Ulm
08.02.2019

Bayerns Justizminister Eisenreich besucht Staatsanwaltschaft München I und trifft Antisemitismusbeauftragten der Generalstaatsanwaltschaft München - Eisenreich: "Kampf gegen Antisemitismus ist wichtig und dringlich / Judenhass auch im Internet mit Konsequenz begegnen"

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich besucht heute die Staatsanwaltschaft München I. Im Zentrum stehen Gespräche mit Generalstaatsanwalt Reinhard Röttle und dem Leitenden Oberstaatsanwalt Hans Kornprobst sowie ein Treffen mit dem Antisemitismusbeauftragten der Generalstaatsanwaltschaft München, Oberstaatsanwalt Andreas Franck.

 

Eisenreich: "Die bayerische Justiz geht bei antisemitischen Straftaten entschlossen vor. Aber auch der Gesetzgeber im Bund muss sicherstellen, dass das Strafrecht jüdischen Menschen ausreichend Schutz bietet - gerade im Internet. Bayern fordert hier seit Jahren zwei wichtige Anpassungen: Wir müssen Beleidigungen im Internet schärfer bestrafen. Im Netz getätigte Anfeindungen haben eine größere Reichweite, sind oft enthemmter und praktisch nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Das Leid der Opfer ist deswegen besonders groß. Auch beim Tatbestand der Volksverhetzung besteht Handlungsbedarf: Nach aktueller Rechtslage bleiben Täter straffrei, die gezielt aus Deutschland ins Ausland reisen, um dort volksverhetzende Inhalte ins Internet hochzuladen. Bereits im letzten Juni haben die Justizministerinnen und Justizminister der Länder auf bayerischen Antrag die Bundesjustizministerin aufgefordert, hier nachzubessern. Die Bekämpfung von Antisemitismus ist zu wichtig und dringlich um zu zögern."

 

Der im Sommer 2018 bestellte Antisemitismusbeauftragte Andreas Franck berichtet über vielfältige Kontakte und Gespräche, u.a. mit Mitgliedern der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, dem Antisemitismusbeauftragten der Staatsregierung Dr. Ludwig Spaenle und der Fachstelle für Demokratie der Landeshauptstadt München.

 

Bayerns Justizminister: "Der Kampf gegen den zunehmenden Judenhass gelingt nur mit vereinten Kräften von Staat und Gesellschaft. Deswegen freut es mich, dass sich innerhalb so kurzer Zeit ein reger Austausch des Antisemitismusbeauftragten der Generalstaatsanwaltschaft mit den zivilgesellschaftlichen Institutionen, dem Beauftragten der Staatsregierung und der jüdischen Gemeinde entwickelt hat. Denn es gibt auch vielfältige antisemitische Vorfälle unterhalb der Strafbarkeitsschwelle. Deswegen ist auch die von Dr. Ludwig Spaenle angekündigte Meldestelle, die künftig alle Fälle von Judenfeindlichkeit erfassen soll, von großer Bedeutung."

 

Hintergrund:

 

Im Vorfeld des Holocaustgedenktages am 27. Januar wurde eine Eurobarometer-Umfrage veröffentlicht, wonach 36 Prozent der Gesamtbevölkerung in Europa zunehmenden Antisemitismus wahrnehmen, in Deutschland sogar 61 Prozent, und unter jüdischen Menschen sind es 90 Prozent.

 

Mit ihren Antisemitismusbeauftragen bei allen drei Generalstaatsanwaltschaften - München, Nürnberg, Bamberg - hat die Bayerische Justiz zum 1. August 2018 den Kampf gegen antijüdische Straftaten noch verstärkt. Die Antisemitismusbeauftragten sollen innerhalb der Justiz bei der Klärung von Zweifelsfragen unterstützen und auf eine einheitliche Rechtsanwendung bei der Bearbeitung antisemitischer Delikte hinwirken. Wenn Ermittlungen bei verschiedenen Staatsanwaltschaften geführt werden, sollen sie diese vernetzen und koordinieren. Die Antisemitismusbeauftragten sollen auch für Behörden im In- und Ausland sowie für jüdische Einrichtungen als zentrale Ansprechpartner für Fragen im Zusammenhang mit antisemitischen Straftaten zur Verfügung stehen.

 

Nach aktueller Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann bei abstrakten Gefährdungsdelikten, die keinen zum Tatbestand gehörenden Erfolg umschreiben, die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nicht aus § 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 Variante 3 oder 4 StGB (Erfolgsort) begründet werden. Das Merkmal der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens in § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB umschreibt keinen zum Tatbestand gehörenden Erfolg, es handelt sich also um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Dadurch können Strafbarkeitslücken entstehen, wenn Personen aus Deutschland gezielt ins Ausland reisen, um dort volksverhetzende - insbesondere antisemitische - Inhalte, die sich gezielt an inländische Adressaten richten, im Internet hochzuladen, und dies am Tatort nicht mit Strafe bedroht ist. Den Link zum entsprechenden Beschluss der Frühjahrs-Justizministerkonferenz 2018 finden Sie hier: https://www.justiz.bayern.de/media/pdf/jumiko2018/fruehjahr_2018/ii-16_by_-_strafbarkeit_der_volksverhetzung_durch_handlungen_aus_dem_aus.pdf

 

Bei der Beleidigung droht § 185 StGB derzeit eine Strafe von bis zu 1 Jahr an, gleich, ob die Beleidigung im privaten Kreis hinter verschlossenen Türen oder aber öffentlich, etwa im Internet, begangen wird. Eine sogenannte Qualifikation sieht das Gesetz lediglich für die "tätliche Beleidigung" vor: Wenn die Beleidigung mit einem körperlichen Übergriff einhergeht, beträgt die Strafe bis zu 2 Jahren. Bayern fordert seit langem eine entsprechende Qualifikation für öffentlich begangene Beleidigungen, etwa im Internet. Aufgrund der Massivität, der Verbreitung und der Dauerhaftigkeit der Beleidigungen im Internet ("Das Internet vergisst nichts") muss diese Art der Persönlichkeitsverletzung nach Auffassung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz schärfer bestraft werden als andere Formen der Beleidigung.

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