Amtsgericht Neu-Ulm
01.06.2021

Zivilprozess der Zukunft: Bayern fordert Bundesjustizministerin Lambrecht zu schnellerem Handeln auf / Bayerns Justizminister Eisenreich: "Eine Digitaloffensive im Zivilprozess ist notwendig. Die Richterschaft hat wichtige Impulse geliefert. Jetzt brauchen wir zeitnah eine Kommission auf Bundesebene."

Auf dem Weg zum Zivilprozess der Zukunft muss mehr Tempo gemacht werden. In ei­nem Brief fordert Bayerns Justizminister Georg Eisenreich Bundesjustizminis­terin Lambrecht auf, den Prozess zügig voranzutreiben. Eisenreich hierzu: "Die Justiz muss die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, um den Zivilpro­zess der Zukunft noch bürgernäher und effizienter zu gestalten. Die Arbeitsgruppe der Präsiden­tinnen und Präsidenten der Obergerichte hat eine wichtige und gute Grundlage für die weitere Diskussion erarbeitet. Jetzt muss die Forderung der Justizmi­nisterkonferenz zeitnah umgesetzt werden: Wir brauchen eine Kommission auf Bundesebene, die zügig abgestimmte Vorschläge unterbreitet."

Eisenreich fordert in seinem Brief an Bundesjustizministerin Lambrecht den Beginn einer breiten Debatte noch vor der Bundestagswahl: "Ent­scheidend ist nicht der Name des Gremiums, sondern dass es alle betroffenen Kreise einbindet und arbeitsfähig ist. Wir brauchen nun eine breit geführte Diskussion, die alle Akteure einbezieht: Vertreterinnen und Vertreter des Bundes, der Länder, der Gerichte, der Anwaltschaft, der Verbraucher­verbände, der Wirtschaft und der Wissenschaft. Wir brauchen eine breite, aber keine jahrelange Dis­kussion. Das Ziel sind praxisgerechte, für alle Verfahrensbeteiligten akzeptable Reformen."

Besonders geeignet für eine zeitnahe Diskussion sind aus Sicht des Ministers folgende Vorschläge der Arbeitsgruppe:

  • Einsatz von Videokonferenztechnik
    Eisenreich hierzu: "In den vergangenen Monaten der Pandemie hat die Praxis in geeigneten Fällen vermehrt von den Möglichkeiten Gebrauch ge­macht, die § 128a Zivilprozessordnung (ZPO) bietet. Ich könnte mir vor­stellen, dass sich bei diesem Thema relativ schnell konsensfähige Wege finden lassen, die Regelung zu erweitern und noch effektiver zu gestal­ten."
     
  • Beschleunigtes Online-Verfahren
    "Das von der Arbeitsgruppe vorgeschlagene beschleunigte Online-Verfahren für Verbraucherstreitigkeiten mit einem Streitwert bis 5.000 Euro könnte ein Angebot der Justiz für schnellen und effizienten Rechts­schutz darstellen. Da die technische Umsetzung anspruchsvoll ist, sollte zeitnah über einen möglichen rechtlichen Rahmen diskutiert werden", so der Minister.
     
  • Automatisiertes Wortprotokoll
    "Die heutige Protokollierungspraxis ist umständlich, zeitaufwändig und fehleranfällig. Die digitale Technik dürfte in absehbarer Zeit Möglichkeiten bieten, durch Tonaufzeichnung und automatisierte Verschriftung die Doku­mentation der Aussagen von Zeugen und Parteien zu verbessern. Ich teile die Auffassung der Arbeitsgruppe, dass an einem schriftlichen Protokoll festgehalten werden sollte", so Eisenreich.

Eisenreich abschließend: "Die Politik muss den weiteren Dis­kussionsprozess gestalten. Nur so können die Potentiale der Digitalisierung in der Ziviljustiz voll ausgeschöpft werden. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht von uns, dass wir auch in der Justiz die beste­henden digitalen Möglichkeiten nutzen."

Hintergrund:
Die Arbeitsgruppe der Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte, des Kammergerichts, des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Bundesgerichtshofes "Modernisierung des Zivilprozesses" unter dem Vorsitz des Präsidenten des Oberlandesgerichts Nürnberg, Dr. Thomas Dickert, hat im Februar ihre Ergebnisse vorgestellt. Die Arbeitsgruppe bestand aus 45 Rich­terinnen und Richtern aus deutschen Zivilgerichten aller Instanzen. Die Vor­schläge sind abrufbar unter "Diskussionspapier Modernisierung des Zivilpro­zesses (bayern.de)".

Die Justizministerinnen und Justizminister haben die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz auf Ihrer Konferenz im November 2020 gebeten, zeitnah eine Kommission aus Vertreterinnen und Vertretern des Bundes, der Länder, der Gerichte, der Anwaltschaft, der Verbraucher­verbände, der Wirtschaft und der Wissenschaft einzusetzen, die die Vorschläge bewertet und Vorschläge für den Zivilprozess der Zukunft unterbreitet.

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